Perry Rhodan - 2530 - Der Oxtorner und die Mehandor
Nächsten freizugeben. Aus triftigem Grund, sicher. Und danach folgt der Nächste und der Nächste und der Nächste.«
Sinnafoch hob den Arm und ließ die Hand wie ein Messer nach unten fahren, als wolle er die imaginäre Kette durchtrennen, die er eben mit Worten gespannt hatte.
»Wir werden alle Geiseln freigeben, sobald wir unser Ziel erreicht haben. Keinen Moment früher, aber auch keinen Moment später. Sag das deiner Sippe. Es muss ihr genügen.«
»Ich weiß nicht, ob ...«
»Es muss. Ich gebe euch drei Stunden eurer Zeit.«
»Und dann?«
»Muss ich deine Hoffnungen enttäuschen.«
Sinnafoch brach die Verbindung ab. Er wandte sich an Steelion Hartok. »Glaubst du ihm?«
Hartok kannte die Antwort: nein. Der Wechsel kam zu abrupt. Der Patriarch hatte seinen Stolz und Zorn zu schnell hinuntergeschluckt. Und noch etwas machte Hartok misstrauisch: Kithara war nirgends zu sehen. Sie war bislang immer an der Seite ihres Vaters gewesen. Wo steckte sie?
Laut sagte Hartok: »Ja. Es passt zu dem, was ich über die Mehandor weiß. Sie geben sich gerne laut und stolz. Sie sind stolz. Aber vieles davon ist Pose. Patriarchen wie Vandur gehaben sich als absolute Herrscher, aber in Wirklichkeit sind sie vom Wohlwollen ihrer Sippe abhängig.«
Sinnafoch musterte ihn lange Sekunden mit stechendem Blick.
Hartok spürte ein Kribbeln. Gänsehaut machte sich auf seinen Armen breit. Er hoffte, dass es dem Vatrox entgehen würde. Er hätte keine plausible Erklärung dafür gehabt.
»Deine Argumente leuchten ein«, sagte Sinnafoch schließlich. »Geben wir ihnen die Zeit.«
*
Sinnafoch legte sich schlafen.
Der Vatrox zog sich zwischen zwei eng beieinanderstehende Konsolen zurück und entlockte seinem Armreif leise Schlaflieder.
Steelion Hartok lauschte ihnen, während er vorgab, mithilfe einer anderen Konsole daran zu arbeiten, die Blockierung der Hauptpositronik aufzuheben. Die Melodien des Armreifs zogen ihn immer noch in ihren Bann. Sie waren lockend, erzählten von Var, von den unendlichen Möglichkeiten, die das Leben bergen mochte. In ihnen fand der Oxtorner nichts von der absoluten Rücksichtslosigkeit Sinnafochs, die ihn zunehmend verstörte.
Der Oxtorner beneidete Sinnafoch um seinen Schlaf. Der Vatrox legte sich einfach hin und fiel innerhalb von Minuten in einen tiefen Schlaf, der bis in den Morgen andauerte. Hartok glaubte, dass er diese Fähigkeit früher einmal selbst besessen hatte – zumindest entsann er sich nicht, dass Schlaf ihm jemals Probleme bereitet hätte –, aber diese Zeiten waren vorbei.
Hartok schlief schlecht. Träume plagten ihn, ließen ihn immer wieder schweißbedeckt hochschrecken. Sie fühlten sich so real an, dass er sich fragte, ob er nicht Erinnerungen an sein früheres Leben, die er im Wachzustand verdrängte, von Neuem durchlebte.
Wachte der Oxtorner auf, tastete er automatisch nach Philip. Der Okrill war sein Gefährte seit so langer Zeit, dass er sich nicht erinnern konnte, ohne Philip gewesen zu sein.
Aber auch das war vorbei.
Hartok hatte Philip auf Oxtorne an Sinnafochs Seite geschickt. Er hatte geglaubt, der Vatrox wäre schwach und bedürfte der Hilfe. Es war eine Selbstverständlichkeit gewesen, für einige Zeit auf den Okrill zu verzichten.
Philip machte keine Anstalten, zu Hartok zurückzukehren.
Die Lieder, die Sinnafochs Armreif spielten, verklangen. Der Vatrox war eingeschlafen. Hartok stand noch eine Weile an der Konsole, führte Schaltungen durch, von denen er bereits im Vorhinein wusste, dass sie zu nichts führten, und lauschte der Stille.
Ein Grummeln, das aus seinem Magen kam, beendete sie.
Hunger regte sich in Hartok. Und, als hätte der Magen ein Zeichen an den übrigen Körper gegeben, Durst.
Hartok machte sich auf die Suche.
Oxtorner waren um ein Vielfaches stärker und widerstandsfähiger als jeder Terraner. Aber ihr bis zum Maximum ausgereizter Metabolismus verbrannte deutlich mehr Energie. Oxtorner leisteten ein Vielfaches – aber sie benötigten auch ein Vielfaches an Wasser und Nahrung.
Hartok durchsuchte die Schrankwände, die das Halbrund der Zentrale säumten. Er fand eine Unmenge persönlicher Gegenstände der Zentrale-Besatzung. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass viele sich Zeiten des Leerlaufs mit Malereien vertrieben. Er fand altmodische Staffeleien und Leinwände, Pinsel und Farbtuben sowie zeitgemäßere Ausstattung: Holoprojektoren und Rezeptoren, die Körperbewegungen in Farben und Formen übersetzten.
Die Springer
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