Perry Rhodan Neo 009 - Rhodans Hoffnung
zögerte.
»Alles klar, John?« Sid war neben ihn getreten.
Marshall nickte. »Ich brauche nur einen Augenblick, um mich zu konzentrieren.«
»Du schaffst es.« Der Junge, der ihm beinahe wie ein Sohn war, nahm seine Hand und drückte sie fest. »Ich weiß es. Und wenn es brenzlig wird, hole ich euch raus.« Sid zwinkerte Marshall zu.
Marshall warf ihm einen verwunderten Blick zu. Sid nahm ihn bei der Hand? Vor einem Monat noch war der Junge so scheu gewesen, dass er es nicht geschafft hatte, bei einem Gespräch seinem Gegenüber in die Augen zu sehen. Der Telepath bedankte sich und sah sich nach Anne Sloane um. Die Telekinetin war auf ihrem Platz geblieben. Als sie seinen Blick bemerkte, wandte sie den Kopf ab.
Es hatte keinen Sinn. Marshall trat an die Tür. Rhodan, gefolgt von Thora, überquerte in dem getragenen Tempo, das dem Präsidenten der Vereinigten Staaten anstand, den Landeplatz.
John Marshall hatte Rhodan schon einmal beobachtet. Als er auf Sids flehende Bitten nach Nevada Fields gekommen war, um den Start der STARDUST zu verfolgen. Von der Zuschauertribüne aus hatte er verfolgt, wie Rhodan und seine Kameraden in ihren Raumanzügen zum Startturm marschiert waren. Wie konnte es sein, hatte er sich nur gefragt, dass Männer von ihrem Format ihr Leben auf eine nutzlose Träumerei wie die Weltraumfahrt verschwendeten?
Es war ihm unbegreiflich gewesen.
Doch in den vergangenen Wochen hatte er die Antwort gelernt.
Der Weltraum war real, die Raumfahrt keine Träumerei. Die Arkoniden bewiesen es. Die Menschheit war weder allein im Universum, noch war sie einzigartig.
Die Menschen mussten sich dieser Erkenntnis stellen oder untergehen.
John Marshall, der gewöhnliche Mensch mit einer ungewöhnlichen Gabe, musste sich ihr stellen.
Er gab sich einen Ruck, nahm vorsichtig die Stufen und blieb stehen. John Marshall schloss die Augen, richtete seine Aufmerksamkeit ganz nach innen. Er vergaß die feuchte, nach Sumpf riechende Luft, in die sich die Abgase von Dutzenden im Leerlauf nagelnden Dieselmotoren mischten. Er vergaß die Sommersonne, die auf seiner nackten Haut brannte. Er vergaß die Läufe der Waffen, die auf Marine One, auf seine Kameraden, auf ihn, John Marshall, gerichtet waren. Er vergaß den brennenden Schmerz, der in seiner Wade aufflammte. Die Erinnerung an den Durchschuss, der vor einem Monat das Ende seiner alten Existenz besiegelt hatte.
Er öffnete die Augen wieder und fixierte Joshua de Soto. Der General war groß und kräftig, erinnerte Marshall an einen Bullen. Er stand breitbeinig am Rand des Landefelds und erwartete die Neuankömmlinge. Die Arme verschränkt. Herausfordernd. Nicht, wie ein Offizier seinen obersten Befehlshaber zu empfangen hatte.
Marshall streckte die Fühler seiner Gabe aus, drang in die Gedankenwelt de Sotos ein. Ihm wurde heiß.
Stanley Drummond und Joshua de Soto waren Kameraden, so viel war klar. Aber wie eng waren sie? Was wusste de Soto über Drummond? Was musste Rhodan über de Soto wissen, um seine Rolle spielen zu können?
John Marshall ging in de Soto auf, lebte sein Leben in Schlaglichtern nach.
Die Kindheit im Süden Georgias, geborgen auf einer Farm. Und gelangweilt. Die Jugend. Abhängen mit Freunden. Die ewigen Gespräche über Mädchen und wie man an sie rankam. Langeweile. Saufen, Pillen, illegale Straßenrennen. Leben, als wäre er unsterblich. Leben ohne Sinn. Dann der elfte September. Die Twin Towers, die in Fontänen von Rauch und Schutt in sich zusammenstürzen. Der Sinn. Die Armee. Afghanistan, dann Irak. Staub, Hitze, Durst. Die Angst. Das erste Leben, das er nahm. Die weiteren. Kameraden, die sterben. Kameraden ...
Drummond. Wo war Drummond?
... Kameraden, die sterben. Dann: Dschungel. Kolumbien. Der Krieg gegen die Narcos. Und endlich: Drummond. Jung, idealistisch. Ein Hinterhalt. De Soto und Drummond überleben als Einzige ihres Zugs. Geiseln. Lösegeld, das ausbleibt. Folter. Den Narcos ist langweilig. Schläge, Hunger, Durst, simuliertes Ertrinken. Immer wieder simuliertes Ertrinken. De Soto und Drummond klammern sich aneinander. Bis zur Befreiung ...
John Marshall flüsterte keuchend, was er sah. Was er spürte. Rhodan und Thora lauschten über Funk seinen Worten.
... Befreiung. Drummond verlässt die Armee, wechselt zu Homeland Security. De Soto bleibt. Die Armee ist sein Leben. Kein anderes ist denkbar. Das Band, die Freundschaft bleibt. Drummond macht steile Karriere, wird Minister, wird Präsident. De Soto steigt langsam
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