Perry Rhodan Neo 012 - Tod unter fremder Sonne
nachzuschauen, bückte sie sich erneut und wuchtete die blonde Frau in die Höhe.
Erst jetzt sah sie zum Eingang der Lagerhalle. Ein Mann stand dort. Er wirkte nicht wie ein Soldat. Sein Gesicht war gerötet. Beide Arme hatte er seitwärts erhoben und versperrte den Nachrückenden den Weg. Uniformierte Arme zogen und zerrten an ihm.
Er stand wie ein Fels in der Brandung.
Soptor nestelte die Granate aus ihrer Gürteltasche und hielt sie in die Höhe, sodass er sie sehen konnte. »Einen Schritt weiter«, rief sie in englischer Sprache, »und ich lasse sie explodieren!«
Langsam ging sie rückwärts. Sie durfte die Frau nicht zurücklassen. Sie wusste etwas. Soptor hatte zwar nicht begriffen, wie sie den Zusammenhang zwischen Rico und dem Bogengerät hatte herstellen können, aber falls es sich tatsächlich um ein Gerät handelte, das sie irgendwohin abstrahlte, konnte die Frau ihr womöglich unschätzbare Hilfe leisten.
Nur noch wenige Schritte trennten sie vom Feld. Sie konnte es förmlich spüren, wie es in ihrem Rücken waberte.
Caroline Frank
Sie vergaß ihre Schmerzen. Ihre Angst.
»Paps«, röchelte sie. »Pass auf.«
Ihr Vater stand im Eingang, verteidigte ihn gegen die Soldaten, die den Lagerraum stürmen wollten.
»Lassen Sie sie los!«, rief er. Plötzlich klang seine Stimme nicht mehr panisch wie zuvor. Eher leise. Bestimmt. »Sie hat Ihnen nichts getan!«
Caroline fühlte, wie die Unbekannte sie in Richtung dieses seltsamen schwarzen Feldes zog, das sie im ersten Moment an einen unendlich tiefen Brunnenschacht erinnert hatte.
Da rannte ihr Vater auf sie zu.
»Nein, Paps, nicht!«, brachte Caroline heraus.
So schnell, wie sie ihren fünfundsechzigjährigen Vater noch nie hatte rennen sehen, kam er auf sie zu. Das Gesicht zu einer Maske aus Entschlossenheit erstarrt, die Lippen so stark aufeinandergepresst, dass nur weiße Linien übrig blieben.
Caroline wehrte sich gegen den eisernen Griff, mit dem die Frau sie umschlungen hielt. Sie kam nicht dagegen an.
Mit der letzten Kraftreserve, die sie aufbringen konnte, wandte sie sich um, soweit es ging. »Ich weiß ... was Sie suchen«, sagte sie. »Ich kann es fühlen.«
Caroline fühlte, wie sich ihre Widersacherin versteifte. Hinter der Frau breitete sich die namenlose Schwärze des Brunnenschachtes aus.
»Was?«, fragte die Frau.
Sie zögerte.
In diesem Augenblick fühlte sich Caroline von zwei weiteren Armen gepackt.
»Lassen Sie sie endlich los!«, schrie die Stimme ihres Vaters.
Durch das spiegelnde Helmvisier der Frau sah Caroline zwei weit aufgerissene Augen mit silbernen Iriden.
Sie verloren das Gleichgewicht. Zu dritt stürzten sie auf die Schwärze zu.
»Das Leben«, sagte Caroline. »Sie suchen das Leben. Es befindet sich hinter Ihnen. Gleich stürzen wir hinein.«
Sie sah, wie sich die silbernen Augen zusammenzogen. Dann löste sich der eiserne Griff. Sie löste sich.
Die Frau fiel in den Brunnenschacht, wurde von ihm verschluckt. Caroline streckte die Arme aus. Gleich würde sie ebenfalls in die Schwärze versinken.
Was hatte Rico auf Lateinisch gesagt?
Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter. Hier sollen sich legen deine stolzen Wellen.
Ein leicht abgewandeltes Zitat aus der Vulgata.
Nun würde sie ebenfalls in den schwarzen Wellen verschwinden. Mit einem Male fühlte sie sich ganz leicht. Ganz frei.
»Kruzifix!«, rief ihr Vater.
Caroline lächelte. Der alte Brummbär. Musste er diesen Moment zerstören?
Sie schloss die Augen.
Und fühlte sich im nächsten Augenblick herumgewirbelt. Sofort riss sie die Augen wieder auf. Sie fiel nicht mehr in der Richtung des Feldes, sondern prallte zusammen mit ihrem Vater gegen die Säule der Maschine. Etwas splitterte.
Noch ein Geräusch hörte sie. Etwas Metallenes fiel zu Boden.
»Dieses verdammte Luder«, schrie ihr Vater.
Caroline sah, wie die Granate, mit der die Frau zuvor gedroht hatte, zu Boden gefallen war und auf sie zurollte.
Fluchend riss der Vater sie herum, hob sie auf seine kräftigen Arme und rannte mit ihr zum Ausgang.
Dann explodierte die Welt um sie herum. Das Letzte, was sie sah, war das Gesicht ihres Vaters. Fast zärtlich sah er sie an.
Dann war das Licht da.
20.
Tako Kakuta
Gefangenenlager, Ferrolia
Einen Tag lang hatten sie sich Zeit gegeben, sich auszuruhen und von den körperlichen und geistigen Strapazen zu erholen.
Ferronen brachten ihnen Speisen und Getränke, die sie über Verteilklappen von den Wärtern erhalten
Weitere Kostenlose Bücher