Perry Rhodan Neo 019 - Unter zwei Monden
Nachtsichtgeräte dabeihatten, wäre dies das Todesurteil für Lieutenant Hardy und ihn.
Wie viele mochten es sein? Zwei, vier, acht Dutzend Taliban?
»Zanawar!«, schrie einer von ihnen.
Ein Zweiter folgte seinem Beispiel, dann ein Dritter, ein Vierter, und dann erklang es aus hundert Kehlen gleichzeitig. »Zanawar! Zanawar! Zanawar!«
Er wusste, dass sie ihn meinten. Zanawar, so nannten sie ihn.
»Lassen Sie mich liegen«, hörte er Hardys brüchige Stimme an seinem linken Ohr. »Allein werden Sie die Flucht schaffen, Sergeant! Hören Sie, das ist ein Befehl!«
»Es tut mir leid, Sir«, gab Goratschin zurück, »aber Sie werden mich wegen Nichtbeachtung eines Befehls eines Vorgesetzten melden müssen, Sir!«
»Zanawar!«, schrien die Talibankämpfer wie aus einer Kehle. »Zanawar! Zanawar!«
Behutsam legte Goratschin seinen verletzten Vorgesetzten auf den Boden. Dann warf er das Gewehr achtlos beiseite, nahm den Helm vom Kopf und ließ auch diesen fallen.
»Ich werde euch zeigen, was ein wirkliches Zanawar ist!«, murmelte er.
Mit seinen Sinnen griff er in die Masse der Talibankämpfer, wählte einen aus, fühlte, wie das Calcium in seinen Gedanken knisterte, und drückte zu.
Ein Explosionsblitz erhellte kurz das Tal. Eine Fontäne aus schwarzem Wasser stand über der Menge. Dann rollte der Donner heran. Wildes Geschrei.
Goratschin nahm sich den Nächsten vor. Konzentration. Explosion. Das kurze Licht zeigte ihm das nächste Opfer. Männer mit Bärten und Tüchern, die sie um ihre Köpfe gewickelt hatten.
Sie vergingen.
Die Schreie hallten nach. So viel schwarzes Blut. So viel Tod. Und er säte ihn.
Weil ein Zanawar kein Erbarmen, keine Gnade kannte. Nur seine eigenen Überlebensinstinkte, dem es alles andere unterordnete.
Ein Schlag traf seinen Nacken. Noch einer.
»Goratschin!«, hörte er eine Stimme. »Bleiben Sie stehen!«
Verwirrt tat er, was die Stimme von ihm verlangte. Als hätte jemand einen Vorhang zurückgezogen, verschwand die andere Realität wieder.
Goratschin fand sich im Gang wieder. Vier Männer mit Gewehren stürmten auf sie zu, riefen irgendwelche Wörter in Spanisch. Aber John Marshall, der sich an ihn geklammert hatte, blickte nicht auf die Gegner, sondern hoch zur Decke.
Goratschin sah die Klappe, die sich geöffnet hatte. Erkannte die Gewehrläufe, die fast genau auf ihn zielten. Ein einziger Schritt hätte genügt, und er wäre in ihrem Wirkungsfeld gestanden.
Johns Gesicht ruckte herum. Er ließ Goratschin los, hob die Arme.
»Los!«, murmelte er. »Wenn Sie auch nur ein Quäntchen Ihrer Gabe in sich spüren – jetzt ist der Moment, es herauszufinden!«
Goratschin blickte in die Gesichter der Angreifer, die langsam auf sie zukamen, die Gewehre drohend erhoben. Einer von ihnen trug eine dreckige Schürze und eine hohe Kochmütze.
»Ich ...«, murmelte er. »Ich kann nicht. Sie ist weg.«
Als wäre dies das Stichwort gewesen, erschienen Tako Kakuta, Betty Toufry und Anne Sloane im Rücken der Angreifer.
Unsichtbare Hände griffen nach den Waffen, nach Armen und Beinen, wirbelten alles durch die Luft. Der Koch brüllte, als würde er bei lebendigem Leib aufgespießt. Die Angreifer fielen wie Steine zu Boden. Die Gewehre flogen in die Hände der beiden Telekinetinnen.
John Marshall ließ die angehaltene Luft entweichen. »Gute Arbeit – aber etwas zu spät für meinen Begriff. Ariane!«
Die kleine Frau mit den langen braunen Haaren und der auffälligen Schminke im Gesicht trat vor einen der Männer, packte ihn am Kragen und hob ihn scheinbar mühelos in die Höhe.
Marshall sah zu Anne Sloane. In Wahrheit hielt sie den Mann mit ihren Kräften in der Luft.
Zwanzig Sekunden lang sprach sie auf ihn ein, ohne Luft zu holen. Marshall verstand nur ein paar einzelne Wörter und Sätze: Dónde está el extraterrestre? »Wo ist der Außerirdische?«
Der Mann antwortete, aber es schien nicht das zu sein, was Colas erwartet hatte. Sie wiederholte ihre Sätze.
Marshall fühlte sich in die Gedankenwelt des Mannes hinein. Sah die Bilder, die in seinem Geist entstanden.
»Ich weiß, wo er ist«, sagten Marshall und Betty Toufry wie aus einem Mund.
Er blickte sie an. »Am Ende des Nordganges«, fuhr sie fort.
Sloane trat vor. »Lasst mich das übernehmen!«
Ariane Colas ließ den Mann los. Er glitt durch die Luft, als würde er durch eine mit glasklarem Wasser gefüllte Höhle schwimmen.
Anne Sloane eilte ihm mit sicheren Schritten hinterher.
Marshall sah Goratschin an.
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