Perry Rhodan Neo 025 - Zielpunkt Arkon
»Geben Sie sich keine Mühe, mein Freund. Ich schätze Sie sehr, aber Sie können mich nicht umstimmen. Drücken Sie mir lieber die Daumen. Aescunnar, over.«
Hetchers Gefährt bewegte sich nicht geradlinig von Bradbury Base weg, sondern änderte ein ums andere Mal leicht die Richtung. Cyr folgerte daraus, dass der Ferrone darauf verzichtet hatte, den Autopiloten auf ein Ziel einzustellen. Offenbar fuhr er selbst – und zwar wie ein Betrunkener, in Schlangenlinien.
Warum machte er das? Suchte er nach etwas, und falls ja, wonach? Und warum ausgerechnet jetzt, mitten im Sandsturm?
Aufgrund des erratischen Kurses, der Hetcher tendenziell näher zur rechten Seitenwand des Canyons führte, verringerte sich der Abstand stetig. Cyr hatte Wei Si Ping nicht angelogen; die Fahrt verlief bislang tatsächlich erstaunlich problemfrei. Zwar trafen immer wieder Böen von allen Seiten auf das Bubble, aber das kleine Vehikel kämpfte wacker dagegen an. Mehr, als dass Cyr kräftig durchgeschaukelt wurde, passierte vorerst nicht.
Da es draußen nichts zu sehen gab als verwirbelten Sand, konzentrierte er sich ganz auf das Display. Es war fast eine meditative Übung. Cyr glitt in eine Art Trance. Die mörderische Umgebung wurde ausgeblendet, die Welt reduzierte sich auf einen Bildschirm und wenige Symbole. Eine elektronische Insel im Nirgendwo. Nirwana ... Schließlich hörte der dunkelrote Punkt zu blinken auf.
Cyr schrak auf. Der Punkt blinkte nicht mehr!
Ein Summton signalisierte zusätzlich, dass Hetchers Bubble angehalten hatte. Cyr vergrößerte den Ausschnitt der Landkarte.
Hetcher hatte die Steilwand erreicht, die sich an dieser Stelle über fünf Kilometer hoch auftürmte. Mit dem Marsmobil war sie nicht zu befahren. Wollte Hetcher etwa den wahnwitzigen Versuch unternehmen, die Felswand zu erklettern? Wegen der niedrigeren Schwerkraft wäre das kein völlig aussichtsloses Unterfangen, jedoch trotzdem in höchstem Maße gefährlich, auch ohne unberechenbare Sturmböen.
Obwohl er nun fast vor Ungeduld platzte, unterdrückte Cyr den Impuls, die eingestellte Dauergeschwindigkeit zu erhöhen. Er wollte sein Glück nicht noch mehr herausfordern.
Quälend langsam verstrichen die Minuten. Gern hätte er sich die Zeit durch irgendeine Aktivität vertrieben, beispielsweise indem er weitere »Vokabeln« der ferronischen Zeichensprache übte. Aber er durfte sich nicht ablenken lassen, musste aufmerksam und wach bleiben, sosehr es ihn anstrengte.
Vielleicht sollte er singen ...
Eine Anekdote fiel ihm ein, die ein älterer Bekannter erzählt hatte. Besagter Bekannter war lange vor der Jahrtausendwende per Autostopp in Europa unterwegs, zusammen mit einem Freund. Sie wollten von Thessaloniki nach Salzburg gelangen. Ein türkischer LKW-Fahrer nahm die beiden mit – unter der Bedingung, dass sie verlässlich aufpassten, dass er nicht am Steuer einschlief, denn er war schon sehr übermüdet. Zu diesem Zweck sang er lautstark türkische Volkslieder. Immer wenn der Gesang abbrach, stupste derjenige Autostopper, der »Wachdienst« hatte, den Fahrer an ... Die Geschichte ging gut aus. Sie kamen heil in Salzburg an, wenngleich mit recht wackeligen Knien.
Die beiden Leuchtpunkte auf seinem Display überlappten einander schon beinahe vollständig, als die Scheinwerferkegel die Felswand erfassten – und schließlich, etwa zwanzig Meter davor, Hetchers Bubble.
Wie befürchtet war die transparente Kabine leer. Cyr umkurvte das verwaiste Marsmobil mehrmals; vergeblich. Hetcher war nicht zu entdecken. Dabei hatte sich die Sicht ein wenig gebessert, was wohl dem Schutz der Felswand zu verdanken war. Oder befand er sich nun quasi im Auge des Sturms?
Cyr zauderte. Die Verlockung war groß, in der relativen Sicherheit des Bubbles zu verweilen, eventuell ein kurzes Nickerchen einzulegen und die Rückkehr des Ferronen abzuwarten.
Was aber, wenn Hetcher gar nicht zu seinem Fahrzeug zurückkehrte? Weil er nicht wollte oder weil ihm dies nicht mehr möglich war? Cyr hätte sich bis an sein Lebensende Vorwürfe gemacht.
Es half nichts.
Er war so weit gekommen, er musste die Sache durchziehen.
Kaum war er ausgestiegen, traf ihn das Heulen und Jaulen des Sturms wie ein Keulenschlag. Den Grund dafür, warum die Windgeräusche hier so viel lauter waren, fand er bald. Die Steilwand, die weit höher aufragte, als Cyrs Blick reichte, zerschnitt ein leicht schräger, etwa drei Meter breiter und mindestens ebenso tiefer Riss. Durch diesen Kamin
Weitere Kostenlose Bücher