Perry Rhodan Neo 027 – Das Gespinst
kannst. Du hast einen Bildschirm genau vor deiner beeindruckenden Nase.«
Wieder nichts. Keine Antwort. Als ob Cyr sich den Ferronen nur einbilden würde, der vor ihm durch dieselbe urwüchsige, spröde Landschaft fuhr, mit den Reifen Staub aufwirbelte, seine Spuren in den Grund zeichnete und es sich in den massigen Kopf gesetzt hatte, einfach von der Base fortzufahren. Zum zweiten Mal, obwohl der erste Alleingang Hetcher beinahe das Leben gekostet hätte. Nur Aescunnars beherzter Einsatz hatte ihn gerettet.
Warum Hetcher das getan hatte und wieder tat, wusste Cyr nicht. Aber er fühlte, dass er Hetcher folgen musste. Cyr jagte unter dem hellen Marshimmel nicht nur einem Ferronen nach, sondern einem Geheimnis.
»Hier geschieht Großes«, hatte Hetcher vor einigen Tagen angedeutet. Und bei den letzten Gebärden, die Hetcher ihm gegenüber gemacht hatte, hatte er gerufen: »Ich höre!« Nur das. »Ich höre! Ich höre!« Ein seltsamer Satz für jemanden, der taub war.
Cyr scharrte nervös mit den Stiefeln in dem viel zu kurzen Fußraum. Seine langen Beine passten nicht richtig in die für Ferronen ausgelegten Maße. Verglichen mit der irdischen Technologie war die ferronische weit voraus. Aber wiederum verglichen mit der arkonidischen stellten irdische und ferronische Technologie lediglich zwei nahe beieinanderliegende Abschnitte eines primitiven Technikzeitalters dar. Cyr wünschte sich, sein Marsmobil wäre arkonidischen Ursprungs. Dann wäre dieser Spuk von Hetchers Flucht längst vorbei. Und er könnte die Beine ausstrecken. Unruhig streifte sein Blick die Cockpit-Konsolen. Das eingebettete Display blieb tot. Auch akustisch kam kein Lebenszeichen. Langsam riss Cyr der Geduldsfaden. Vielleicht musste er neue Wege gehen: Hetcher nicht bitten oder ihn auf herzige Weise anschnauzen, wie es Louanne Riembau zweifelsfrei bis zur Perfektion beherrschte, sondern ihn provozieren.
»Hetcher, du hast alle Fahrzeuge der Station sabotiert. Deinetwegen sitzt das Team für mehrere Stunden fest und kann wichtigen Wartungsarbeiten nicht nachkommen. Und das nur, damit sie dich nicht verfolgen können. Bist du stolz auf deinen Egotrip?«
Er hielt den Atem an. War er zu weit gegangen? Aber was hatte er zu verlieren? Er glaubte nicht, dass Hetcher geisteskrank oder selbstmordgefährdet war und deshalb allein in die Einöde des Mars hinausfuhr. Auch war Hetcher kein Saboteur wie die Ärztin Tempsky, die in ihrem göttlichen Wahnglauben das Terraforming des Mars im Auftrag der Junge-Erde-Kreationisten im Keim hatte ersticken wollen. Es gab einen Grund, warum dieser Ferrone handelte, wie er es tat. Hetcher hatte ein Geheimnis, und Cyr würde dahinterkommen.
Unvermittelt sah Cyr sich als Kind im Arbeitszimmer des Vaters auf dem indigoblauen Teppich sitzen. Eigentlich durfte er dort nicht hinein. Sein Vater war deutscher Diplomat. Alle Papiere, selbst die, die sich nicht in der Botschaft, sondern zu Hause befanden, waren zu wertvoll, um sie von Schokoladenfingern berühren zu lassen oder dass sie als Papierflieger endeten. Nicht auszudenken, was ein Kindmonster wie Cyr im Allerheiligsten anrichten konnte. Aber seine Eltern waren nicht da, der Vater in der Botschaft, die Mutter einkaufen, und Cyr hockte im Schneidersitz im Arbeitszimmer vor einem verschlossenen Karton auf dem Boden und musste ihn auspacken. Er hatte eine Pappecke hochgebogen und erkannt, dass es sich um in Zeitungspapier gewickelte Gegenstände handelte. Sein Herz raste, er sah sich immer wieder beschämt um, kam aber nicht gegen den Drang an, einen Gegenstand herauszunehmen.
Damals war er sechs gewesen und hatte geglaubt, sterben oder ohne Abendessen mit einer ordentlichen Strafpredigt und Netzverbot ins Bett zu müssen, wenn die Eltern ihm auf die Schliche kamen. Trotzdem hatte er den Gegenstand Schicht um Schicht ausgepackt. Und dann den nächsten. Und den nächsten. Am Ende hatte er es vor sich, das ganze armenische Geschirrset, Teller, Tassen, Untertassen, versehen mit blauroten Ornamenten. Er hatte nicht gewusst, dass die Großmutter es geschickt hatte. Sorgfältig hatte er alles wieder eingewickelt und zurückgelegt. Cyr war nie entdeckt worden. Für ihn war es gewesen, als hätte er einen Schatz gefunden. Später hatte er dieses Geschirr im Küchenschrank am meisten geliebt.
Wie damals sah er den braunen Karton deutlich vor sich, hatte einen Deckel gelüftet und verpackte Gegenstände in Zeitungspapier erkannt. Er musste wissen, was für Gegenstände es waren
Weitere Kostenlose Bücher