Perry Rhodan Neo 028 - Flucht ins Dunkel
Kürschnerwerkstatt und dem alten Theater.
»Herr. Helfen ...« Ein Hustenanfall, nicht minder leise, folgte den Worten und unterbrach die Sprechende.
Gihl-Khuan verringerte die Lautstärke des Sicherheitsfunks erneut, sah fragend hinter sich, und erst als er sicher war, dass niemand sonst die eigenartige Stimme vernommen hatte oder auf ihn achtete, trat er in die Gasse.
»Was ist geschehen?«, fragte er ins Dunkel.
Einen Moment später sah er die Antwort. Auf einem kleinen Schutthaufen, der sich im Laufe vieler Jahre hier angesammelt haben musste, lag rücklings ein Kind. Seit dieses topsidische Mädchen aus dem Reich der Schlüpflinge zurückgekehrt war, waren fraglos erst wenige Mondwechsel über seine Welt gezogen, so jung und klein war es noch. Es trug zeremonielle Kleidung, gehörte also einer der religiösen Gruppierungen an, die anlässlich des Dreimonds ihren Sermon ins vorbeiflanierende Volk predigten. Doch die Brustseite der mit Stickereien der Fahlen Brüder verzierten Robe war blutdurchtränkt.
Die hat etwas abbekommen , begriff Gihl-Khuan. Ob die Gasse bis nach Khir-Teyal führte? Ob das Mädchen von dort bis hierher geflohen war, hoffend auf helfende Hände und Sicherheit, nur um so kurz vor dem Ziel, wenige Schritte gar, die letzte Kraft zu verlieren?
»Bitte«, wimmerte es schwach. Sein Blick war bereits getrübt. Gihl-Khuan brauchte ihm nur ins Gesicht zu sehen und wusste, dass es die Fahlen Brüder nie wieder erblicken würde, selbst wenn es diese Nacht überstand. »Bitte ho... holen Sie einen Heiler und ...«
Gihl-Khuan hatte sich in all den einsamen Jahren auf Buntayn nur zweimal ernstlich verletzt. Beide Male hatte er sich dank der Positronik selbst verarztet, und von dieser Erfahrung zehrte er nun. Mit geschulten Griffen verschaffte er sich schnell einen Eindruck vom Ausmaß der Verletzungen des Kindes.
Sie kann es noch schaffen , erkannte er. Der Blutverlust ist beachtlich, aber wenn sie binnen der nächsten Minuten an einen Heiler gerät ... Im Geiste ließ er die vergangenen Schritte seines Weges rückwärtslaufen. Wo war der letzte Sicherheitsmann gewesen? Wem konnte er am schnellsten Meldung von der verletzten Kleinen machen?
Achte das Leben! , erklang die Stimme der Positronik in seinem Geist, nannte ihm einen der Sätze der Sozialen Weisung, der sozialen Normen seines Volkes. Wie damals auf Buntayn. Erhalte es, wo du kannst. Lösche es nur dort aus, wo es unumgänglich ist.
Ein Satz, wie er dieser Nacht nicht angemessener hätte sein können. Und nichts anderes hatte Gihl-Khuan vor.
Das Mädchen erschrak, als er wieder aus der Hocke ging. Eine nasskalte, schwache Hand legte sich auf seinen Unterarm. »Nicht ... weggehen.«
»Keine Sorge, ich laufe nur schnell zurück zur Straße, siehst du? Gleich dort unten ist sie. Und da hole ich dir einen Sicherheitsmann. Der kümmert sich dann schon um all...«
Gihl-Khuan verstummte. Von einem Moment zum anderen hatte er die Welt um sich vergessen, nur noch Augen für das Bild, das sich soeben auf den 3-D-Monitor geschlichen hatte.
Wo? , dachte er. Wo ist das?
Er stoppte den Datenstream, um die eine Aufnahme länger und genauer zu betrachten. Da war eine Straßenecke. Schäbige Bauten. Wenig Passanten. Irrte er sich, oder stieg dort eine schmale Rauchsäule über dem Dach zum Nachthimmel auf?
In der Nähe einer Explosion also. Und den Häusern nach zu urteilen ...
Das war Khir-Teyal, kein Zweifel. Die zwei Personen, die Megh-Takarr suchte, hatten das Getto noch nicht verlassen! Kein Wunder, dass er sie nirgendwo anders fand.
»Herr ...«
Das sterbende Kind röchelte. Gihl-Khuan ignorierte es. Für ihn gab es jetzt nur noch die Beute.
Du also bist Khatleen-Tarr , dachte er und betrachtete die im Standbild eingefrorene Gestalt. Sie war hübsch. Deutlich hübscher, als Megh-Takarrs Fahndungsdaten suggeriert hatten. Deutlich hübscher als jede andere Gettohure, die er kannte. Etwa einen Meter achtzig groß, schlank. Glänzende braune Schuppen. Ein Traum.
Im Vergleich zu ihr wirkte das Ding an ihrer Seite noch alberner als ohnehin und ...
Die Stimme des Kindes wurde sekündlich schwächer. »Herr, bit... bitte.«
Stresshormone schossen durch Gihl-Khuans Körper. Seine Fingerkuppen kribbelten, wie immer, wenn die Jagd in die heiße Phase wechselte. Schnell prüfte er den Zeitindex auf dem Standbild, rief sich in Gedanken den Stadtplan auf und überschlug, wo er die zwei ungleichen Gestalten am wahrscheinlichsten abfangen
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