Perry Rhodan Neo 028 - Flucht ins Dunkel
alle führten. In die Zukunft unserer gesamten Spezies, mein Freund.«
Sie standen wieder an den Magnetgleisen, Ai Guo und er. Drei Stunden waren seit Schichtbeginn vergangen, und obwohl Lhundup in der Nacht geschlafen hatte wie ein Stein, fühlte er sich bereits jetzt, als arbeite er seit Tagen durch. Rechts von ihm führte ein Schacht weiter in Terranias Unterwelt, zu seiner Linken ging es zum Lastenaufzug, wo das abtransportierte Gestein nach oben befördert wurde. Was danach damit geschah, wusste er nicht. Er befüllte nur die Loren. Das gelang ihm bislang recht fehlerfrei, und er hatte beschlossen, diesen glücklichen Ausnahmezustand nicht durch vielleicht unwillkommene, aber zweifellos Unkenntnis offenbarende Detailfragen zu riskieren.
»Weißt du, ich hätte selbst nie gedacht, dass ich mal im Bergbau ende«, berichtete der Alte und hustete herzhaft. Schweiß perlte ihm auf der Stirn, verklebte sein schlohweißes Haar, und unter den Achseln zierten dunkle Ringe seinen schmutzigen Overall. Der Mundschutz, der seine Atemwege vor dem ganzen Staub schützen sollte, dafür aber offenkundig mehrere Jahrzehnte zu spät gekommen war, hing ihm um den Hals wie die gelben Schallschützer. »Mein Vater war Soldat, mein Großvater war Soldat ... Ich hab's auch versucht, aber dieses ständige Strammstehen und Gehorchen ist einfach nicht mein Ding. Anfangs ließ mich mein alter Herr seine Enttäuschung deutlich spüren, aber soll ich dir etwas sagen, Fürzchen? Hintenrum, hinter verschlossenen Türen, lobte er mich sogar. Für meine Eigenständigkeit. Dafür, dass ich meinen eigenen Kopf hatte und bereit war, ihn gegen alle Widerstände durchzusetzen.«
Lhundup sah die leere Lore nahen, seufzte und griff wieder zur Schaufel. Schweigend arbeiteten sie weiter, schufteten die Fuhre ab. Für jede Ladung, die Lhundup auf den stetig wachsenden Berg im Innern des Schienengefährts hievte, lud Ai Guo zwei nach – und zwar deutlich vollere. Aber er gab Lhundup mit keinem Blick und keiner Geste zu verstehen, ihm seine Schwäche übel zu nehmen. Ai Guo war anders als die anderen.
Nach knapp einer Stunde hatten sie es geschafft. Abermals durften sie sich ein paar Minuten ausruhen, während die Lore automatisch gen Frachtlift ruckelte, wo bereits ihre Nachfolgerin auf ihren Einsatz wartete.
»Wie hoch soll dieses Ding eigentlich werden?« Lhundup lehnte sich gegen die Wand des Schachtes, um nicht vor Erschöpfung umzukippen.
»Der Turm?« Ai Guo lachte leise. »Fürzchen, das frag ich mich, seit ich hier buddele. Ehrliche Antwort? Ich glaube, das weiß kein Mensch.«
Lhundup hob eine Braue. So hatte er sich seine Recherche nicht vorgestellt. Wenn nicht einmal der Vorarbeiter Antworten wusste, was sollte da noch groß kommen? »Wie das? Ich meine, irgendwer muss doch den Überblick haben.«
»Hier unten? Lass mich dir eine alte Bergbauweisheit mit auf den Weg geben: Wir sind zum Graben bestellt, nicht zum Fragen. Wir machen, was die da oben möchten. Wer die Bosse hinterfragt, ist seinen Job meist schneller wieder los, als er denkt.«
»Moment mal. Du bist doch hier einer der wenigen, die Kontakt zu denen da oben haben. Du koordinierst uns, da musst du eigentlich die Planungen kennen.«
»Solange sie meinen Arbeitsbereich betreffen, schon. Aber auch da nur für den jeweils laufenden Bauabschnitt.« Ai Guo setzte sich ächzend auf den Boden. »Ich kann dir sagen, was wir machen. Dann hört's bereits auf.«
»Und du hast nie gefragt? Ausgerechnet du?« Lhundup konnte es kaum glauben. Ai Guo war für ihn – neben allen Bergbaufähigkeiten – ein absoluter Idealist. Einer, der voll und ganz für das Ideal Terrania brannte. Diesen Eindruck machte er, wann immer er über die Stadt und ihre Gründer sprach. Sollte so jemand, insbesondere wenn er aktiv an ihrem Wahrzeichen mitwirkte, sich tatsächlich mit einer rein ausführenden Rolle zufriedengeben?
Der Alte schnaubte. »Gefragt? Fürzchen, ich mag dich. Deshalb weihe ich dich in ein Geheimnis ein, okay?«
Lhundup nickte. Seine Augen wurden groß. War etwa dies der Tag, an dem er Jun endlich etwas Nützliches berichten würde?
»Ich habe die da oben bis heute nicht zu Gesicht bekommen. Nicht einmal meinen direkten Vorgesetzten.«
»Was?« Lhundup stutzte. »Aber ...«
»Kein Aber«, sagte der chinesische Vorarbeiter mit einigem Bedauern. »Ich erhalte meine Anweisungen nicht mündlich und schon gar nicht durch direkten Kontakt zu denen da oben. Wenn wir etwas machen sollen,
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