Perry Rhodan Neo 030 - Hort der Weisen
einen Seelenverwandten, einsam wie er.
»Er war nur ein Werkzeug«, zischte Megh-Takarr, um sich selbst von der Wahrheit dieser Worte zu überzeugen. »Ein Werkzeug, das seinen Dienst getan hat und nun unwichtig ist.« Doch er konnte nicht daran glauben. Es schmerzte, eine Person verloren zu haben, auf die er sich verlassen hatte.
Durch Lüftungsschlitze hörte er die fernen Gesänge der Feiernden, vermischt mit Schüssen. Trotz der Rebellion beging die Bevölkerung der Hauptstadt das Ende der Dreimondekonstellation mit Inbrunst, die Stadt kochte in einer absonderlichen Mischung zwischen Fest und Krieg.
Aus einem Impuls heraus wollte der Despot ans Fenster treten, ließ es aber. Dort würde er nur die Spuren der Kämpfe sehen, die noch immer andauerten. Danach stand ihm nicht der Sinn. Obwohl sich die Rebellen auf dem Rückzug befanden, wollte er sich in diesen wenigen freien Minuten nicht mit ihnen befassen. Ihm blieb nur eine kurze Atempause, ehe ihn die Regierungsgeschäfte wieder mit unerbittlichen Klauen packten. Unerbittlich, wie sonst nur die Umklammerung einer Frau war.
Er schüttelte all die dunklen Überlegungen ab. Immerhin, etwas Zeit stand ihm zur Verfügung.
Zeit für seine Sammlung.
Die einzige Freude, die ihm auf dieser Welt noch blieb. Abgesehen von der Macht.
Der Despot ging los, zu seinem Zoo.
6.
Topsid, vor dem Omzrak-Massiv:
Das, was noch nie geschah
Das Gebirge lag in noch viel größerer Entfernung, als es zunächst den Anschein erweckt hatte. Eric Manoli hatte mittlerweile zu einem stumpfsinnigen Laufrhythmus gefunden; er bewegte sich automatisch, achtete nicht auf seine schmerzenden Muskeln, ignorierte seinen ausgelaugten Körper. Einfach nur immer weiter. Und weiter.
So muss es einem Verlorenen in der Wüste ergehen, ging es ihm durch den Kopf. Dem Verdursten nahe, schleppt er sich voran, gibt sich der Illusion hin, dass hinter der nächsten Düne die Rettung in Form einer Oase auf ihn wartet.
Hinter der nächsten Düne. So hieß es zumindest immer in Geschichten. Ob es wohl wirklich so war? Kam es überhaupt noch vor, dass sich im echten Leben Menschen in der Wüste verirrten? Manoli musste lachen. Was war unwahrscheinlicher – ein Verlorener in einer öden Gegend auf der Erde zu sein oder auf einem Planeten intelligenter Echsen? In dieser verrückten neuen Zeit konnte man diese Frage offenbar nicht mehr beantworten.
»Du bist seltsam, Erikk-Mahnoli«, sagte Khatleen-Tarr. »Immer noch. Ich werde dich wohl niemals verstehen.«
»Wieso?«
»Wir schleppen uns voran, und du siehst noch elender aus, als ich mich fühle – und plötzlich lachst du.«
Er blieb stehen, beugte den Oberkörper vor und stützte die Hände auf die Oberschenkel. »Ich habe nachgedacht. Man muss in allem das Positive sehen.«
»Ich denke auch nach«, erwiderte sie zu seiner Überraschung. Dabei sah sie ihn nicht an.
Einige Schritte weiter stoppte Gihl-Khuan seinen Marsch ebenfalls. Momentan saß Kikerren auf seiner Schulter, trippelte über den breiten Echsennacken mal auf die eine, dann auf die andere Seite. Dabei putzte der Kleine mit hastig leckender Zunge seine Flügel.
»Worüber denkst du nach?«, fragte Manoli.
Nun suchte ihr Blick den seinen. Sie atmete geräuschvoll aus. »Über das, was mir Kraft gibt, durchzuhalten.«
»Und das wäre?« Er lächelte matt. »Etwas Aufmunterung könnte ich auch gebrauchen.«
Sie schloss die Augen. »Der Elfte Satz der Sozialen Weisung.«
Manoli nickte langsam. »Hier ist hier«, zitierte er. »Jetzt ist jetzt. Bündele deine Kraft. Ein Jenseits gibt es nicht.«
»Gut, Erikk-Mahnoli. Du kennst die Sätze inzwischen wie ein Topsider.«
»Aber er versteht sie nicht«, tönte Gihl-Khuan. Sein Schwanz schleifte über den Boden, kickte wuchtig einen Stein weg.
»Bist du dir da so sicher?«, fragte Khatleen-Tarr.
»Wie könnte er sie auch nur ansatzweise begreifen? Er ist ...«
»... kein Topsider, ja«, unterbrach Manoli. »Aber vielleicht verstehe ich euch und damit auch die Sätze der Weisung besser als je ein anderer Arkonide vor mir.« Die Lüge, sich als Arkonide auszugeben, ging ihm inzwischen glatt und ohne nachzudenken über die Lippen. Ganz am Anfang, als er auf dieser Welt erwacht war, hatte man ihn für einen Angehörigen dieses Volkes gehalten; er hatte nie widersprochen. Womöglich war es das Beste so. Wahrscheinlich wusste kein Topsider, dass es die Erde überhaupt gab, und er fragte sich, wie man sonst mit ihm umgesprungen
Weitere Kostenlose Bücher