Perry Rhodan Neo 030 - Hort der Weisen
der Röhre, die sich durch den gesamten Turm zog. Am Rand des Röhrenabschlusses reckte sich ein massiver Träger zehn Meter in die Höhe.
Adams hatte vor einigen Tagen einen Mast darauf setzen und die Flagge der Terranischen Union hissen lassen. Nun war diese Flagge eingeholt, der Mast wieder abgebaut worden. Auf der Spitze des Trägers kauerte ein arkonidischer Roboter. Es war die letzte funktionstüchtige Maschine, die gemeinsam mit vielen baugleichen Modellen die Innere Stadt Terranias errichtet hatten. Der Roboter stand aufrecht, wartete reglos.
»Ich sehe nichts!«, rief Lhundup. Die Aufregung ließ ihn seine Höhenangst für den Moment offenbar vergessen. Er hatte seinen Sitz verlassen und drückte sich das Gesicht an einer Seitenscheibe des Hubschraubers platt.
Die Pilotin ließ das Fluggerät weiter aufsteigen.
Homer G. Adams sah zum Turm, dann zum blauen Himmel hinauf, dann auf seinen Pod. Etwas mehr als eine Minute noch. Wenn alles nach Plan verlief.
»Gleich, Lhundup«, sagte er. »Es ist fast so weit.«
Die Sekunden vergingen, langsam und zäh. Eine weitere halbe Minute, die allen wie eine kleine Ewigkeit anmutete. Adams berührte den Pod, wollte bei Deringhouse nachhaken, als der Junge brüllte: »Da ist es!«
Den Administrator hielt es nicht mehr auf dem Sitz. Er sprang auf und nahm aus dem Augenwinkel heraus wahr, dass auch Bai Jun aufstand. Wenn auch betont gelassen.
Es dauerte einige Momente, bis Adams fand, wonach er suchte.
Ein unscheinbarer Anblick. Doch was dahintersteckte ...
Ein Seil hing vom Himmel. In über zweitausend Metern Höhe.
Der Administrator verfolgte den schwarzen Strich, dessen Ende sich zu einer Art Tropfen verdickte. Doch er verlor sich in der Höhe, noch bevor das Dach des Hubschraubers und der Rotor ihm die Sicht verwehrten.
Es stimmte also.
Die Positronik der Zuflucht hatte Wort gehalten.
»Es hängt ... einfach so ... in der Luft!«, stotterte Lhundup.
»Nein«, widersprach Adams ruhig. Im Gegensatz zu Bai Jun war der Junge nicht in die Hintergründe eingeweiht. »Es hängt fest.«
»An einem Flugzeug? Ich sehe nichts!«
»Nicht an einem Flugzeug. Viel höher.«
Das Seil reichte bis ins All, war Zehntausende von Kilometern lang. Länger als alles, was Adams sich vorzustellen vermochte. Es war ein Produkt arkonidischer Technik. Ein unscheinbares Wunder, das sich in der Höhe zu verlieren schien. Irdische Technologie wäre bereits an der Aufgabe gescheitert, ein Seil von diesem Ausmaß zu erzeugen, das sein eigenes Gewicht tragen konnte, ohne zu reißen.
Adams wusste es, aber das änderte nichts daran, dass es ihm den Atem verschlug. Zumal er auch wusste, was noch kommen würde. Bald. Sein Herz schlug schneller, und er fühlte sich wieder wie ein junger Mann, den Mund staunend geöffnet.
Das untere Ende des Seils blitzte auf. Die Verdickung erwies sich als ein Set von Steuerdüsen, die das Seil in Position brachten, es sanft in die hochgereckten Stahlarme des wartenden Roboters geleiteten. Die Maschine ergriff das Seil, fädelte es mühelos ein. Das Seil senkte sich weiter, die Spitze verschwand hinter dem Träger. Mit flinken, spinnenartigen Bewegungen kletterte der Roboter ihm nach.
Adams hielt den Atem an. Die Verbindung stand. Turm und Seil vereinten sich. Und obwohl der Administrator eine Handvoll ausgesuchter Ingenieure und Wissenschaftler die Zahlen hatte nachrechnen lassen, quälte ihn die eine alles entscheidende Frage: Konnte der Stardust Tower der Belastung standhalten? Dem Druck, der jedes andere Gebäude zermalmt hätte? Dem Zug?
»Was tut die Maschine?«, fragte Lhundup, der nicht begreifen konnte, was er mit eigenen Augen sah.
»Sie befestigt das Seil«, erklärte Adams, »verbindet es mit dem Tower.«
»Warum?«
Der Administrator antwortete nicht, Bai Jun schwieg ebenfalls. Sieh es dir an, Junge. Sei einer der Ersten, die es sehen.
Lange Sekunden vergingen. Und nichts geschah.
Das Seil riss sich nicht los.
Der Träger hielt.
Der Turm stand.
Schließlich kam der Roboter wieder zum Vorschein. Er hatte seine erste Aufgabe erfüllt. Seine Extremitäten griffen nach dem Seil, stählerne Werkzeuge schlossen sich. Die Maschine kletterte in die Höhe, der Wintersonne entgegen, führte die grundlegende Inspektion des Seils durch. Es würde Tage dauern, bis sie das andere Ende erreichte – und damit die ehemalige Venus-Zuflucht in ihrer Umlaufbahn um die Erde.
Homer G. Adams spürte, wie sich der Knoten löste, der sich in seinem Magen
Weitere Kostenlose Bücher