Perry Rhodan Neo 5: Schule der Mutanten (German Edition)
schmecken zu können. Der gesamte Raum war geschwängert von einem ganz besonderen Verlangen nach Liebe.
Monterny war abgrundtief hässlich. Eine Hälfte des Gesichts wirkte wie ein Abfallhaufen, der auf wenige Zentimeter komprimiert worden war. Vielleicht stank das zerstörte Gewebe auch; Sid konnte und wollte es nicht wahrnehmen. Denn er wusste, dass die Äußerlichkeit keinerlei Bedeutung hatte. Cliff war von einem Licht erfüllt, das alles Hässliche übertünchte.
Clifford Monterny erhob sich und schlug mit einer Gabel gegen sein Glas. Er wartete, bis Ruhe eintrat. »Ich bin sehr stolz auf euch«, sagte er dann, als alle Augen auf ihn gerichtet waren. »Ihr leistet großartige Dinge. Doktor Goratschin schickt mir immer wieder Bulletins über die Fortschritte, die er erzielt. Sie sind beeindruckend. Ich bin überzeugt davon, dass ihr eines Tages in aller Munde sein werdet. Wegen der Dinge, die ihr leisten werdet. Für eure Heimat. Für die Vereinigten Staaten von Amerika. Für ein besseres Leben in einer freien Welt ...«
Sid verstand nur wenig von dem, was Clifford sagte. Es kümmerte ihn auch nicht sonderlich. Hauptsache war, dass er redete und dass er hier war. Bei ihnen. Dass er ihr Leben erhellte und machte, dass sie sich besser fühlten.
Tosender Applaus verabschiedete Monterny nach seiner Rede. Gleich darauf schwebte ein Helikopter ein, landete auf dem Vorplatz des Versammlungszentrums und nahm ihren Helden auf. Er lächelte, schüttelte jedem von ihnen die Hand, winkte ein letztes Mal und verschwand in der Dunkelheit. Er ließ ein Gefühl der Wehmut zurück, das sich allmählich zur Trauer auswuchs – und zur Hoffnung, dass Clifford Monterny bald wieder zurückkehren würde.
Nachdem das Flappen der Rotoren verklungen war und die üblichen Nachtgeräusche der Wüste ertönten, machten sie sich auf den Weg zurück in ihre Schlafgemächer. Sids Kopf fühlte sich taub an, wie immer nach einer Kontrolleinheit. Doch er kümmerte sich nicht darum, nicht heute.
Elmer, der ungewöhnlich schweigsam geblieben war, gesellte sich zu ihm. Ihre Baracke befand sich am äußersten Ende der kleinen Ansiedlung. Hinter ihnen war nur noch der Zaun, an den Ecken begrenzt von Wachtürmen. Scheinwerferkegel glitten unruhig über die offene, gerodete Fläche dahinter. Einer der Hundeführer war eben auf Patrouille. Sein Hund knurrte böse, als er sie beide roch, beruhigte sich aber gleich wieder. Ein winziger, gelbroter Punkt flammte auf, als der Uniformierte an seiner Zigarette sog. Man könnte glauben, dass es eine Nacht wie jede andere war.
»Kanntest du deinen Vater?«, fragte Sid.
»Ja«, meinte sein Freund einsilbig.
»Wie war er?«
»Ein Scheißkerl. Ich kann mich gut an ihn erinnern. Wenn er von seinen Sauftouren zurückkehrte, mitten in der Nacht, schrie und tobte er. Er schlug meine Mutter. Manchmal mich, manchmal meine kleine Schwester.«
Sid zog den Kopf ein. Mit einem Mal fürchtete er sich vor Elmer. Er sprach so ruhig und unbeteiligt, als berichtete er aus dem Leben eines anderen.
»Das tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Es hat keine Bedeutung. Nicht mehr.«
»Wie meinst du das?«
»Er ist tot. Mum sagte, dass er es verdient hätte. Dass ihn unser Schöpfer verurteilt hätte und er für seine Sünden in der Hölle schmoren würde.«
Sid schlug drei Kreuze, rasch hintereinander, und betete ein Vaterunser. So, wie es ihn Xiomara gelehrt hatte.
»Aber Mum hat sich geirrt.«
»Warum bist du dir so sicher? Böse Menschen kommen nun mal in die Hölle.«
»Das meine ich nicht, Sid.« Elmer warf ihm einen Blick zu, den er nicht zu deuten wusste. »Natürlich hatte Dad es verdient. Tausendfach. Nachdem er das mit Cindy, mit meiner Schwester, getan hatte ... Aber es war kein Gott, der über ihn urteilte.« Sie hatten den Eingang zu ihrer Baracke erreicht. Elmer pflückte eine rosa Rose, roch daran, seufzte leise und sagte gedankenverloren: »Ich war es. Ich habe ihn getötet, und ich habe niemals zuvor oder danach das Gefühl gehabt, etwas derart Gutes zu tun. Es war nur Schlechtes in Dad. Er hatte Spaß daran, Schmerzen zu bereiten. Also gab ich ihm, was er verdiente.«
Sid schwieg. Er stand neben seinem Freund und starrte in die Dunkelheit hinaus. Elmer war etwas älter als er – und ein Mörder. Einer, der keinerlei Bedauern für seine Tat empfand. »Wie alt warst du, als ... es geschah?«, fragte er nach einer Weile.
»Sieben Jahre.«
»So jung? Ich meine, wie ...?«
»Wie ich es getan habe?«
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