Perry Rhodan Neo 5: Schule der Mutanten (German Edition)
teilnahmslos. Er gab Anweisungen, auf welche Daten sich Sid ganz besonders konzentrieren sollte.
Die Wolke legte sich. Etwa 15 Sekunden waren seit dem Start vergangen. Im rot glühenden Abendhimmel zeigte sich eine weißgraue Spur, die den Flug von KARL I nachzeichnete.
»Höhe: vierhundert Meter«, sagte Elmer. »Vertikale Instabilitäten. Ich versuche, mithilfe der Zusatztragflächen entgegenzuwirken.«
Er hatte Sid ein wenig über Thermik, Flugparabeln und Steuermöglichkeiten erzählt. Sid hatte kaum etwas verstanden. Doch eines hatte er gelernt: Alles hing vom Piloten ab. Von einem Mann, der die Rakete beherrschen musste. Hier war es Elmer, dessen Finger atemberaubend schnell über die Tastatur seines Computers rasten. Im wahren Leben waren es Menschen, die in winzige Kapseln gepresst waren und, unterstützt von Hochleistungsrechnern, schwierigste Manöver vornahmen.
»Fünfhundert Meter. Zweite Stufe wird abgeworfen.«
Das bedeutete zusätzlichen Schub. Zusätzliche Stabilität, die die Rakete noch höher tragen würde, weit über jenen Bereich hinaus, der der so fragilen KARL I besonders gefährlich werden konnte.
Elmer sah Sid an. Stolz lag in seinem Blick. Und Dankbarkeit. Sie hatten während der letzten beiden Tage kaum ein Auge zugetan und gut zusammengearbeitet. Zwei Jugendliche, eigentlich noch Kinder, hatten geschafft, wozu andere Menschen niemals in der Lage sein würden.
»Sechshundert Meter.«
Die Rakete verschwand hinter einem Hügel. Alle Informationsflüsse endeten mit einem Mal. Die Computer zeigten bloß noch flache Linien und Fehlfunktionen. Jene winzige Kamera, die bislang unscharfe Bilder aus dem Inneren der Rakete übertragen hatte, war tot. Der Schirm zeigte Schneegrieseln, es rauschte.
»Das war's«, sagte Elmer. Seine Stimme klang enttäuscht. »KARL I muss explodiert sein, unmittelbar nach der Zündung von Stufe zwei. Wahrscheinlich haben wir einen Fehler beim Zusammenbau gemacht.«
Da war kein Vorwurf in der Stimme. Obwohl Sid während des letzten Tages die meiste Schraub- und Schweißarbeit getätigt und Elmer sich auf Feintuning sowie Programmierung konzentriert hatte.
»Ich bin schuld«, sagte Sid leise.
»Unsinn! Wir gewinnen als Team, wir verlieren als Team. Außerdem: KARL I ist bis in eine Höhe von sechshundertachtzig Metern vorgedrungen. Das ist ein toller Erfolg, nicht wahr?«
Dennoch waren sie beide traurig. Trotz der wenigen zur Verfügung stehenden Zeit hatten sie gehofft, mehr zu erreichen und den Bausatz besser tunen zu können.
»Gute Arbeit, Elmer«, sagte eine dunkle, nur allzu bekannte Stimme.
Sid zuckte zusammen, während sein Freund ruhig blieb. »Danke, Doktor Goratschin!«
»Würdest du mir einen Bericht schreiben?«
»Einen Bericht? «
»Ihr habt eine Rakete hoch in die Luft gejagt. Habt ein kleines Kontrollzentrum errichtet, Daten gesammelt und dabei mit einer Akribie gearbeitet, die ich manchmal bei meinen engsten Mitarbeitern vermisse. Zu einem derartigen Experiment gehört auch, dass man die Ergebnisse notiert und die richtigen Schlüsse zieht. Um zu wissen, was man das nächste Mal besser machen könnte.«
»Das nächste Mal?« Elmer riss die Augen weit auf. »Soll das heißen ...?«
»Selbstverständlich. Ich erwarte, dass ihr so bald wie möglich KARL II hochschickt. Ich werde euch ein Budget zur Verfügung stellen, mit dem ihr planen könnt, und euch die notwendigen Hilfsmittel besorgen.«
»D... danke, Doktor Goratschin!«
Der Leiter von Camp Specter sah sie mit prüfenden Blicken an, drehte sich um und ging davon. Hin zu den anderen Kindern, die nach wie vor mit großen Augen dastanden und sich wunderten, was sie eben gesehen hatten.
»Er ist ja doch ein Mensch«, sagte Sid, nachdem ihm seine Stimme wieder gehorchen wollte.
»Hast du gehört, wie er mit uns geredet hat? – Als wären wir Erwachsene. Als wäre er stolz auf uns.«
Das Leben in Camp Specter war schön.
Die Nächte waren voll von Träumen, in denen immer wieder die Namen Paco, Manos, Gioconda, Ruben und Xiomara hochgespült wurden. Manchmal wachte Sid schweißgebadet auf, torkelte hin zu den Nassräumen und erleichterte sich. Manchmal blieb er bloß sitzen, um zu weinen. So lange, bis ihn die Müdigkeit übermannte.
Dann ging die Sonne auf. Sie warf ihre noch schwachen Strahlenfinger über das karge Land und kitzelte seine Nase. Sie brachte neue Hoffnung und neue Freude mit sich. Er lief zum Fenster, riss es weit auf, atmete tief ein, zankte sich mit Elmer,
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