Persephones Erbe (German Edition)
rannte, würde es mich holen. Die schwache Beleuchtung im Treppenhaus schuf überall Schatten. Ich hatte schon nach dem ersten Treppenabsatz Seitenstechen, meine Schenkelmuskeln brannten und ich japste, aber ich quälte mich hartnäckig weiter, Stufe um Stufe nach oben. Kurz bevor mir endgültig die Luft ausging, erreichte ich den Flur vor dem Peristyl. Ich stolpere in den Atriumhof.
Unter dem Glasdach war niemand, soweit ich das aus der gnadenlosen Finsternis des Säulengangs erkennen konnte. Ich flüchtete in das bisschen Helligkeit, das die Lichtglocke des nächtlichen Rom hereinbrachte. Die kleinen Blüten der Rosmarinbüsche leuchteten hell in der Nacht. Der herbe Duft dämpfte meine Angst ein bisschen. Ich hatte Mut nötig, aus dem Speisesaal roch es nach heißem Wachs und einer Spur Rauch, aber die Kerzen waren im ganzen Haus gelöscht. Hinter den offenen Glastüren gähnte ein schwarzes Loch.
Ich überstand es irgendwie ihn zu durchqueren, ohne auf das Knacken und Flüstern rund um mich zu achten. Dafür überfiel mich meine Angst vor der Dunkelheit im Renaissancegang wieder mit Macht. Er war ein Alptraum. Nicht nur, dass ich die Stimmen dort deutlich hörte, ich konnte in dem Raunen und Flüstern in meinem Kopf zum ersten Mal in meinem Leben sogar einzelne Worte verstehen.
Sie ist gezeichnet
, sagten die Stimmen.
Er hat sie gezeichnet
.
Kati?
, fragte eine andere, mir schien, verwunderte Stimme. Nicht die meines Vaters. Ich sah Armins tote Augen wieder vor mir, die Goldmünze in seinem Mund. Entsetzen schüttelte mich. Nein, das konnte, das durfte nicht sein. Ich wollte nicht glauben, dass er mich rief. Doch es war jetzt leider durchaus möglich.
Ich brach wie eine Irre durch die blinde Schwärze des Renaissancegangs, einzig bestrebt, den Lichtspalt vor mir zu erreichen. Riss den staubigen Samtvorhang zur Seite. Warf mich auf den Tresen. »Armin ist tot!«
Lupercu stand im offenen weißen Hemd vor mir. Er ließ die schwarze Anzughose fallen, in die er offenbar gerade hatte steigen wollen. Darunter war er nackt.
»Kati!« Er kam um den Tresen.
Ich atmete stoßweise. Die großen Flecken Samtfell auf seinem weißen Körper waren mir längst vertraut. Nicht jedoch seine Genitalien. Sie zeigten dieselbe dunkle Färbung, wie die Störung im weißen Marmor der Statue. Lupercus Penis und Hoden waren schwarz.
Das war jetzt nicht wichtig. Armin war tot. Lupercu lächelte. Er nahm meine Hand, legte sie auf den großen, samtweichen Fleck, der die Außenseite seines Oberschenkels bedeckte. »Das wolltest du doch schon die ganze Zeit, oder nicht?«
Sein Fell fühlte sich tatsächlich seidenweich an. Auch seinen halben Bauch und einen Teil der Brust bedeckte warmer, atmender Samt. Er zog mich ganz an sich, legte seine Stirn an meine. Sein schöner Körper fühlte sich vertraut an, erregte mich, ohne dass ich das eigentlich wollte. Gleichzeitig beruhigte mich, dass er sich an mich schmiegte.
»Meine Brüder hatten dieses Vergnügen ja schon. Danke, dass du hier bist. Ich dachte schon, ich komme zu kurz.«
Lupercu legte die bartlose Hälfte seines Gesichts an meine rechte Wange. Er war glatt wie eine Frau. Danach drehte er den Kopf, rieb seinen weichen Bart an meiner anderen Wange. Warme Lippen streiften meine Schläfe. Hauchzart nur.
»Gut?«
Ich nickte. Lupercus Umarmung tat wirklich gut. Aber sie machte mich auch weich. Ich hatte es bis hierher geschafft. Doch das Weinen, das tief in meiner Kehle lauerte, brach jetzt aus mir heraus. Armin war tot. Wir hatten uns erst ein paar Tage gekannt und im Grund nichts weiter miteinander zu tun gehabt. Ein Arbeitsverhältnis, mehr nicht. Eigentlich hatte ich keinerlei Grund, mich so mies zu fühlen, wie ich mich fühlte. Bis auf die Kleinigkeit, dass er vielleicht noch am Leben gewesen wäre, hätte ich mich nur nicht ganz so dämlich angestellt. Und dass ich ihn nie in mir gefühlt hatte, mit ihm niemals über halbherzige Versuche hinausgekommen war, ein paar Küsse, ein einzige Mal beinahe Sex in der Sauna, das betrauerte ich wirklich. »Ich habe noch nicht einmal mit ihm geschlafen.«
Lupercu streichelte mich sanft. »Du kannst deine Gefühle sehr gut verbergen. Wir waren nicht sicher, ob dich sein Tod überhaupt trifft.«
Auf einmal platzte etwas in mir. Ich schrie auf. Schreckliche Laute drangen aus meiner Kehle, Klagen, über die ich keine Macht hatte. Ich konnte nicht mehr aufhören zu schreien.
Lupercu bettete meinen Kopf an seine Schulter. Er hielt mich
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