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Persephones Erbe (German Edition)

Persephones Erbe (German Edition)

Titel: Persephones Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Monkberg
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Mann, den ich gerne geliebt hätte, dessen Stimme offenbar wiederum mein Vater nicht wahrnahm. Obwohl sie beide dicht nebeneinander standen, Rauch neben Rauch. Mich schmerzte dabei am meisten, dass Armin sich die Schuld gab. Er flüsterte, dass er bereute. Dass er mich nie hätte allein lassen dürfen. Wie sehr er sich nach mir sehnte.
    Mich überkam eine Gewissheit.
    Das Lammblut war der Köder, der die Toten zu mir lockte, damit ich sie nicht nur hören, sondern auch sehen konnte. Aber es war zu alt. Es stockte wahrscheinlich schon. Wenn ich wollte, dass sie wirklich zu mir sprachen, musste ich ihnen lebendiges Blut geben. Mein Blut.
    Blut, Schmerz oder Sex. Das Ritual in »Die Kimmerischen Männer« war genauso unvollständig wie das von Lupercu, auch wenn mir der Faun die Richtung gezeigt hatte.
    Blut. Das kam schon einmal nicht in Frage. Abgesehen von der üblen Vision, dass mich die vielen Toten, die hier schwebten, wie die Vampire aussaugen würden, hatte ich nichts, mit denen ich mich anritzen konnte. Ich konnte den Toten kein Blut geben. Für Menstruationsblut (falls das in Frage kam) fehlten mir auch noch mindestens zehn, wenn nicht noch mehr Tage. Es kam bei mir nie ganz regelmäßig und wenn ich mich aufregte, nach schlaflosen Nächten, in der ich die Toten hörte, eher gar nicht.
    Ich betrachtete zweifelnd meine Hand und die Kerze.
    Schmerz? Oh nein, ich würde mir nicht freiwillig die Hand eine Blase in die Haut brennen. Mir war einmal das heiße Bügeleisen auf die Hand gefallen, das reichte. Abgesehen von dem wirklich schlimmen Schmerz, der tagelang angehalten hatte, musste nicht jeder gleich an den Narben sehen, dass ich ein Freak war.
    Und Sex? Also bitte, nein. Glaubte hier ernsthaft jemand, ich war in der Stimmung dafür? Wenn sie mir alle zusahen – auch wenn sie nichts sahen – sollte ich an mir herummachen? Wir waren hier nicht in der Peep-Show.
    Ich betrachtete die Wolke der Schatten, betrachtete Armin. Mein Vater, groß, leicht zu dick, wie ich ihn gekannt hatte, wiegte sich ungefähr einen halben Meter über dem Grund wie in einem sanften Wind.
Kati? Hallo, Katinka!

19.
    Es musste ein Ende her. Das Wiegen und Schweben meines Vaters hatte nichts Menschliches, absolut nicht. Der Schatten, der vor mir in wiederkehrenden Abständen sein
Kati, hallo Katinka
flüsterte, war nicht mehr der, den ich als meinen Papa gekannt hatte. Er war Rauch, eine Stimme, die sich zwischen dem Hier und Jetzt und dem Jenseits wiederholte wie die Endlosschleife einer Bandansage. Eine ungewollte Existenz, wahrscheinlich sogar eine hoffnungslose. Es sei denn, es gelang mir, ihn hinüber schicken.
    Kati? Hallo, Katinka!
    Ich wollte ihm herzlich gerne helfen. Das unstete, fließende Gebilde, das meinen Namen flüsterte, wieder und immer wieder, das ertrug ich nicht mehr lange. Ich wollte nicht im Wahnsinn enden. Die Möglichkeit bestand durchaus noch, wenn er mich weiterhin beinahe jede Nacht, jeden dunklen Weg, den ich gehen musste, heimsuchte. Und dann war es ja nicht nur mein Vater, es gab jetzt auch noch Armin.
    »Autsch. Scheiße!« Heißes Wachs lief mir über die Finger, sengte meine Haut. Ich hatte nicht aufgepasst, die Kerze war nur noch ein kleiner Stumpf, das Licht beinahe erloschen. Ich fasste trotzdem fester zu, rettete die Flamme. Alles, aber nicht in totaler Finsternis stehen! Ich verbrannte mir teuflisch die Finger und die linke Hand gleich mit, weil ich das brennend heiße Klümpchen, die Flamme im flüssigen Wachs, die von der Kerze noch übrig war, aus der Rechten in die Linke wechseln musste. Ich fummelte eilig eine Ersatzkerze aus dem Schaffellmantel, zischend vor Schmerz, hielt den frischen Docht an die Flamme. Endlich brannte er. Ich ließ die Restkerze schleunigst fallen. Die Fingerkuppen meiner linken Hand tobten.
    Du hast dich verbrannt
, sagte eine Stimme neben meinem Ohr,
ach, Kati. Was tust du nur!
Ich fuhr herum.
    Das Gesicht meines Vaters schwebte dicht vor meinem. Nur sein Gesicht, der Rest seiner Gestalt war vollständig dahin. Er runzelte die Stirn.
Kati, ich bin tot, nicht?
    Ich konnte nur nicken.
    Dann gebe ich wohl besser Ruhe
, wisperte mein Vater.
Leb wohl, mein Kind!
    Ein zarter Luftzug strich über meine verbrannten Finger.
    Mein Vater verwehte.
    Er ging so leicht, dass ich staunte. Achtzehn Monate hatte mich seine Stimme geplagt. Und jetzt war er mir nichts, dir nichts, einfach fort. Ich war so erleichtert, dass mir die Tränen kamen. Natürlich hatte ich gleichzeitig ein

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