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Persephones Erbe (German Edition)

Persephones Erbe (German Edition)

Titel: Persephones Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Monkberg
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verflucht schlechtes Gewissen. Ich hatte meinen Vater soeben in die Ewigkeit geschickt und mich nicht mit einem Wort von ihm verabschiedet. Unabhängig davon, dass man vielleicht bei keinem Tod richtig Abschied nehmen konnte. Dafür gab es keine Formel, kein Ritual. Außer vielleicht Gebete, die ich aber als Kind einer Rationalistin nie gelernt hatte.
    Aber dennoch.
    Immer wieder hatte ich meinem toten Vater im Gedanken meine Entscheidung erklärt. Mich dafür gerechtfertigt, dass ich die Maschinen abgeschaltet hatte, die ihn am Leben hielten. Weil ich ihm damit noch längeres Leiden ersparen wollte. Dass ich ihn trotz all dem, was zwischen ihm, mir und meiner Mutter schief gelaufen war, immer noch liebte.
    Vorbei und zu spät.
    Doch mir blieb keine Zeit trüben Gedanken nachzuhängen. Mein Vater hatte Frieden gefunden, aber die anderen Toten erfüllten die kalte Luft jetzt erst richtig mit ihrem Jammer. Dadurch, dass ich der Stimme meines Vaters keine Aufmerksamkeit mehr schenken musste, schien eine Art Kanal frei geworden zu sein. Eine Kakophonie aus Klagen und Anklagen brach über mich herein. Die einen wollten endlich Ruhe, andere ihr Leben zurück. Etliche schworen Rache und der Rest war schlicht und ergreifend wahnsinnig. Irres Kichern und Heulen füllte die Katakomben. Ich hob instinktiv beide Hände, wollte mir die Ohren zuhalten, kam aber nur mit der Kerzenflamme meinem Haar zu nah. Es knisterte und stank, ich strich hektisch mit der freien Hand über meinen Kopf. Doch das einzige, das neu aufflammte, war der Schmerz in den verbrannten Fingerkuppen. Leider nicht schlimm genug, um alle Toten damit zu bannen.
    Der eine oder andere Schatten verwehte. Einer der Brüder zum Beispiel, der, der seine Schwester gemordet hatte. Kurz darauf verschwand auch der Zweite. Dass gerade sie sich auflösten, war eine Erleichterung. Aber die Mehrzahl der Geister wurde im Gegenteil durch das Pochen in meinen Fingern erst richtig wild. Hatten mich vor dem Abgang meines Vaters nur einzelne Schatten umschwebt, verdunkelten sie nun regelrecht die Luft. Das Licht der Kerze wurde trüb, ihr Schein drang nur mehr schwer durch die Schleier, die rund um mich aufstiegen. Zweifellos spürten die Schatten mein Blut, das schmerzhaft in den verbrannten Fingern pulsierte. Sie verlangten danach mit einer Gier, die mich erschreckte.
    Gib es uns. Gib uns dein Blut
.
    Jedes Mal, wenn ich einatmete, trieb die Wolke aus Schatten näher zu mir her. Ich pustete heftig gegen den Rauch, der vor mir wallte. Die Geister der Toten wirbelten durcheinander, aber sie wichen nicht. Nur die Kerzenflamme hielt sie noch auf Abstand. Sie schraken vor dem Licht zurück, wenn ich es schwenkte. Aber ich konnte nicht die Nacht damit zubringen, Kerzen zu schwenken. Außerdem wurde es hier unten in den Katakomben niemals Tag. Ich lauschte in den tanzenden Schatten nach Armins Stimme. Endlich hörte ich ihn.
Kati? Wo bin ich?
    »Armin?«
    Aber er antwortete nicht, es war zum Verzweifeln.
    »Armin?« Mein Schrei löste Echos in den Gewölben aus. Von einem Gesims rieselte Staub. Ich erschrak. Gespannte Aufmerksamkeit regte sich in den Katakomben, in Stockwerken und Gewölben, deren Tiefe und Ausdehnung mich mit Grauen erfüllte. Unter mir lag ein riesiger Totenpalast. Die Macht, die ich oben im Peristyl mit Lupercu zum ersten Mal gespürt hatte, füllte die Katakomben. Fern ihrer Heimstatt war sie zu ertragen gewesen, gerade noch. Hier jagte sie mir tödliche Angst ein.
    Ich wusste mit einem Mal, dass Er, der Herr der Unterwelt, mir eine Falle gestellt hatte. Er hatte mich erkannt, mit all meinen Skrupeln und Fehlern. Genau gewusst, dass ich Armin nicht vor den Nixen retten würde. Der Herr der Unterwelt hatte ihm das Leben genommen, mit brutalem Kalkül. Damit ich ein schlechtes Gewissen bekam, Armin retten wollte. Ihm, dem Gott der Toten als Beute zufiel.
    Jeden anderen Tag und an jedem Ort, nur nicht hier, hätte ich die Behauptung der Rationalisten unterschrieben, dass es keine Götter gab. Hier konnte ich nur beten.
Lieber Gott, bitte hilf mir, lass mich nicht mit dem, der auch ein Gott ist, wie Du, Allmacht im Namen führen darf, zusammentreffen
.
    Meine Furcht trieb mich zurück zur Treppe. Ich pflügte mit angehaltenem Atem quer durch die Schatten der Toten, riss sie durch meinen Schwung regelrecht zur Seite. Egal, was noch geschah. Kein Mensch und kein Gott konnte von mir verlangen, dass ich mit nur mit einer schwachen Kerze in der Finsternis auf mein Schicksal

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