Persephones Erbe (German Edition)
näher kam, gefiel mir überhaupt nicht. Doch wenigstens war mir in Lupercus dicken Schaffellmantel nicht kalt. Es war angenehm still. Ich hörte nur das leise Zischen des brennenden Dochts, das weiche Geräusch, mit dem das schwere Fell auf meinen Schultern bei jedem Schritt mitschwang und das Schwappen im Krug. Das Lammblut roch übel. Viel schlimmer als die uralten Mauern. Deren Ausdünstungen nach Feuchtigkeit und Kalkmörtel mochte ich mittlerweile fast, zumindest verglichen mit dem Blut. Die Ziegellagen waren antik, ihr Format länger und viel schmaler als alle modernen. Auch die verlegten Muster sahen ganz anders aus. Sie interessierten mich, aber ich hielt vorsichtshalber Abstand. Die Ersatzkerzen steckten links in einer Innentasche des Fellmantels. Schon der Gedanke machte mich nervös, ich könnte in der allgemeinen Finsternis irgendwo anecken und dabei eine Kerze oder alle zerbrechen.
Die Finsternis machte mich überhaupt nervös, wenn auch nicht so schlimm wie sonst. Ich hob die Kerze trotzdem noch ein bisschen höher, damit ich nicht über die viel zu tiefen Stufen stolperte. Der Henkelkrug in meiner anderen Hand war schwer. Sein Gewicht zog bereits jetzt an meinem Arm, obwohl die Keramik dünn war. Es war auch nicht sehr viel Blut im Krug, vielleicht ein Liter. Dabei fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, was ich damit tun sollte. Lupercu hatte nichts dazu gesagt.
Ich hielt es mittlerweile sowieso nicht mehr für die beste Idee dieser Nacht, dass ich dem Rat des Fauns gefolgt war. Aber gut. Lupercu hatte mir nicht wirklich die Wahl gelassen. Und dass er mit der Peitsche aus der Haut des toten Lamms über mich kommen würde, hatte er mir vorher auch nicht verraten. Aber wann fragte man schon je das Opfer, ob es ein Ritual an seinem Körper vollzogen haben möchte? Ich stieg weitere Treppenstufen tiefer, dachte über das seltsam erregende Klatschen der Peitsche nach, die peinigende Lust der Nippelklemmen. Sanftes Feuer flammte in meinem Schoß auf. Wahrhaftig, als Vorbereitung für die Begegnung mit einem Gott war ich erregt genug.
Ich seufzte.
Ich war bereits so weit gegangen, wahrscheinlich blieb mir jetzt wirklich nichts anderes mehr übrig, als mich auch noch auf Pluto einzulassen. Dabei wusste ich gar nicht, warum ich das tat. Sicher, ich war scharf auf Armin.
Gewesen.
Das heißt, ich war es eigentlich immer noch. Dass er tot war, spielte dabei komischerweise nicht die geringste Rolle. Ich begehrte ihn eher heftiger.
Eine schöne Idee, dass Lupercu behauptete, Pluto könne Armin von den Toten auferstehen lassen. Das Dumme war nur, ich glaubte ja schon nicht ganz an Lupercu als Faun. Noch weniger glaubte ich an Pluto. Meine ganze Erziehung stand dem entgegen. Die Rationalisten, denen meine Mutter angehörte, leugneten die Existenz von Göttern. Und die Toten waren tot. Streng logisch betrachtet konnte Lupercus Vorschlag nur einen Versuch mit untauglichen Mitteln bedeuten. Er jedenfalls hatte mit der Peitsche seinen Spaß gehabt.
Na gut, ich irgendwie auch. Vielleicht war das hier insgesamt doch nur ein übles Spiel. Aber selbst wenn hier unten irgendwo tatsächlich irgendwer Tote wiederaufstehen lassen konnte: Mein lieber Chef lag als Leiche in einer Kühlbox. Auch niedrige Temperaturen hielten den Verwesungsprozess nicht lange auf. Hoffentlich bekam ich statt Armin keinen Zombie.
Doch zunächst musste ich die Totenstadt überhaupt erst einmal finden.
Am Ende der Treppe erstreckte sich ein langer Gang, der durch keinerlei Anhaltspunkt verriet, welche seiner vier Öffnungen mich weiterbrachte. Aus allen Torbögen gähnte Nacht. Ich probierte das entfernteste Gewölbe zuerst. Doch es endetet blind und mit dem Zweiten verhielt es sich genauso. Wie immer: Ich hatte natürlich erst mit dem vierten Gang Glück. Sofern ich das Glück nennen konnte. Die erste meiner Kerzen war schon halb heruntergebrannt und ich stand lediglich vor einer weiteren Treppe.
Dafür schimmerte an ihrer Basis Licht. Fast hätte ich die Kerze ausgeblasen, um Wachs zu sparen. Doch mir fiel gerade noch rechtzeitig ein, dass ich keine Streichhölzer besaß, also ließ ich mein Licht weiter leuchten. Die Notlampen tauchten sowieso nur ungefähr alle zehn Meter auf, viel zu selten für meinen Geschmack. Ich war um die Kerze herzlich froh.
In ihrem Schein erkannte ich das Gewölbe sogar wieder. Es war wirklich das, in dem mich früher am Abend der Hausmeister abgefangen hatte. Richtig, ich brauchte nur einige Meterdurch den
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