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Persephones Erbe (German Edition)

Persephones Erbe (German Edition)

Titel: Persephones Erbe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Monkberg
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zerfielen, die Tücher vermoderten. Sie gaben Skelette frei, doch schon einige Gänge weiter gab es selbst die nicht mehr, nur noch Reste von Knochen.
    Eine weiche Staubschicht lag dick über allem.
    Ich sah die Vergänglichkeit selbst und der Verfall machte mich traurig. Auch wenn mich die Gegenwart des Gottes, der mich führte, freudig erregte. Er hatte mich genommen und es war noch nicht vorbei.
    Noch nicht.
    Seine Berührung durchdrang mein ganzes Sein.
    Und dennoch.
    Ich spürte die ungeheure Zeitspanne, die Seine Vergangenheit umfasste und ich hatte darin keinen Platz. Er herrschte hier seit Äonen. Dass wir uns trafen, glich dem Flügelschlag eines Schmetterlings, einem vergänglichen Hauch. Ich machte mir darüber keine Illusionen. Ich gehörte hier nicht hin, nicht an Seine Seite. War viel zu gering für Ihn, dessen Gefährtin eine Göttin war. Mehr noch, mein schlagendes Herz störte die Toten. Immer mehr erwachten aus ihrem Schlaf. Stimmen raunten um mich. Ich bekam Angst vor dem Wispern.
    Der Druck Seiner großen warmen Hand in meinen Nacken verstärkte sich.»Sorge dich nicht! Du bist bei Mir. Ich werde dich lehren, sie zu bannen. Es ist nur ein kleines Opfer dazu nötig.« Und den Toten befahl Er: »Schweigt!«
    Sein Grollen überdeckte das Raunen. Die Flut der wispernden Stimmen zog sich zurück wie das Meer bei Ebbe. Sie fluteten in natürliche Spalten tief im gewachsenen Fels. In Höhlen, Jahrhunderttausende alt, viel älter als die Katakomben. Hier, wo Er mit mir heute unter Gewölben ging, hatte am Ende der Eiszeit zwischen Esquilin und Viminal unter freiem Himmel ein kleines, enges Tal gelegen, die Schlucht eines Flüsschens, eingegraben zwischen Kalktufffelsen. Das Tal war schon aufgeschüttet und überbaut gewesen, bevor vor zweitausend Jahren das Landgut des Senators Pudens hier stand und nach ihm die kleine Therme, auf deren Ruinen im vierten Jahrhundert Santa Pudenziana erbaut worden war. Fünfzehnhundert Jahre später kam erst der kleine Palazzo und zuletzt die Mauern, die heute das Hotel Tenebre bargen. Und diese ganze ungeheure Zeitspanne, fast dreitausend Jahre und noch länger, war Er, dessen Hand meinen Nacken wärmte, hier verehrt worden. Die ersten Etrusker hatten ihre Toten hier begraben und nach ihnen die Italiker. Sie alle hatten Ihm und ihren Toten hier in den Felsen geopfert.
    Ein Opfer also.
    Ich dachte an das geduldige schwarze Lamm und mich schauderte. Es mochte Bäuerinnen geben und Voodoo-Priesterinnen, die einem Lamm oder Huhn ohne Gemütsregung die Kehle durchschneiden konnten. Ich brachte das nicht übers Herz. Ich konnte kein Tier schlachten. Ich scheute mich aber, den Herrn der Unterwelt zu fragen, ob Er das wirklich von mir verlangte. Es war gut und richtig, Ihm zu dienen, Ihm meinen Körper zu schenken. Doch wie sollte ich Ihm erklären, dass Er zu viel von mir verlangte?
    Ich wagte es nicht. Seine Gegenwart, seine Schönheit verschlugen mir die Sprache.
    Er lachte.
    »Es gibt mehr als einen Weg, die Toten zurückzuholen oder zu bannen. Komm!«
    Seine Gestalt wandelte sich noch einmal. Das Mumienschwarz seiner Haut wich einem lebendigem, silbrigen Schimmern. Seine dunklen Locken wurden reines Gold, das Glühen Seiner Augen wechselte zu tiefem Blau. Er zog meinen Kopf an seine Brust, bevor ich in der Strahlkraft Seines Blicks ertrank. Lachen lag in seiner schönen Stimme.
    Ich liebte den sonoren Bass.
    »Du wirst dich mir noch einmal hingeben, im Angesicht der Toten. Danach wirst du mich vergessen.«
    Ich erschrak. Mir war zum Weinen, ich wollte Ihn nicht verlassen. Lieber wollte ich sterben. Aber Er führte mich unerbittlich weiter, durch Gänge, über Treppen, durch Galerien, in ein einfaches Familiengrab.
    Eine gepolsterte Kline und Tischchen standen vor den Nischen, in denen schwarz verfärbte Mumien ruhten, Männer und Frauen, Alte und Junge, der Großvater wie sein jüngstes Enkelkind. Es lag als kleines Bündelchen, in vom Alter gelb gefärbte Leinenstreifen gewickelt in einer Nische direkt neben der Kline. Ein feines mit vertrockneter Haut überspanntes Schädelchen lächelte mich aus leeren Augenhöhlen an.
    »Drei Jahre ist sie geworden«, sagte Er, »ihr Sterben hat dem alten Herrn das Herz gebrochen. Lass uns das Liebesmahl für ihn und sie feiern.«
    Der Herr der Unterwelt nötigte mich zu ihm auf die Kline. Durchscheinend weiße Lilien und Margueriten waren auf die Wände dieses Grabes gemalt, das Gewölbe, das es deckte, füllten goldene Sterne.
    Mir war

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