Persephones Erbe (German Edition)
wirklich hoffnungslos war.
Rings um mich flüsterten Stimmen, doch das Kratzen des Messers auf der Katakombenwand überlagerte sie. Es ließ mich auch fast die lauernde Macht vergessen, die Schritt für Schritt heran rückte. Quälend langsam.
Die Arbeit mit den verbrannten, schmerzenden Fingern verlangte Konzentration. Feiner Staub rieselte mit jedem Abziehen der Klinge auf die Schwelle der in den Fels gehauenen Kammer. Das Rieseln zischte in der blinden Nacht vor meinen Augen fast wie regennasse Reifen auf Asphalt. Aber hier war keine Straße.
Ich schliff geduldig.
Später, ich wusste nicht, nach wie langer Zeit, näherte sich mir von fern ein flackernder Lichtschein. Ich stellte mein Schleifen ein. Lauschte. Schritte begleiteten das Licht. Und Gefahr. Ich verhielt mich mucksmäuschenstill. Ob Er mich übersah, wenn ich mich nicht bewegte, nicht atmete? Mein Herz klopfte wie verrückt.
Keine Chance
.
Ich wusste hinterher nicht, hatte ich das geflüstert oder einer der Toten. Vermutlich aber ich selbst. Die Schritte bogen in meine Richtung ein. Er brauchte mich aber so oder so nicht zu suchen, ich hatte mich natürlich längst durch das Schleifgeräusch auf dem Kalktuff verraten. Ich hörte erleichtert, dass der Schritt des Mannes ganz normal klang. Es war nicht das katzenweiche Schreiten vor dem ich mich fürchtete. Eine dunkle Gestalt hinter einer Fackel erschien im Eingang zu dem Gewölbe vor meiner Kammer. In der Finsternis war mir diese Katakombe unendlich groß vorgekommen, aber sie stellte sich im Schein der Fackel als kurzer, schmaler Seitengang heraus. Und die Wand, hinter der ich einen Abgrund befürchtet hatte, war hoch und glatt und wunderbar bemalt. Ein Fries blasser Blumen zog sich quer über sie. Dafür, alles auf dieser Welt besaß mindestens einen kleinen Makel, wirbelten die Schatten der Toten im Schein der Fackel vor dem Blumenfries wie Rauch. Und der Fackelträger war der Hausmeister.
»Du schon wieder!«
Sein sonorer Bass stellte alle Haare auf meinem Körper auf. Das Gesicht hinter dem schwarzen Bart war finster. Er steckte die Fackel in eine Halterung neben der Öffnung der kleinen Kammer, in deren Bogenöffnung ich stand. Ich wich zurück, doch er packte mich bei beiden Handgelenken, zog mich zu sich heran. Der Hausmeister runzelte die Stirn, als er die Abschürfungen und Verbrennungen an meinen Händen sah. Ein grimmiges Lächeln zuckte über seinen Mund. Er hob meine Rechte an die Lippen, leckte Blut und Schmutz von den Abschürfungen, saugte an den Brandblasen, dass ich schrie.
Er schüttelte mich.
»Halt gefälligst still!«
Danach nahm er sich die Linke vor. Er leckte, saugte und biss auch daran, obwohl ich nach ihm trat, mich unter seinem Griff verzweifelt wand und um Gnade schrie. Ich flehte ihn unter Tränen an, aufzuhören. Aber der Hausmeister drückte mich nur mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand. Als er mich endlich freigab, war ich schweißnass.
»Sei lieber dankbar!«
Der Hausmeister spuckte einen ganzen Mund voll blutigen Speichels auf den Boden der kleinen Seitenkatakombe. Sofort stürzten sich alle Schatten darauf.
»Bedient Euch! Verschwindet!«, donnerte er.
Meine Ohren klingelten. Ich sah verblüfft zu, wie der blutige Fleck auf dem Boden wie von Geisterhand verschwand.
Schweigen zog in meinen Kopf ein.
Die Toten, die mich jahrelang geplagt hatten, zogen sich von mir zurück. Die Stille lastete so ungeheuer auf der Katakombe, dass ich unter der Last der Gewölbe in den Knien einknickte. Der Hausmeister hielt mich fest, bis sich meine Ohren an die richtige Welt gewöhnten. Auf einmal klang alles wieder normal. Die brennende Fackel knisterte und zischte. Sie roch gut. Süß, nach Sandelholz, Kiefernharz und Myrrhe. Ein Balsamduft erfüllte dieses Gewölbe, dass es einfach nur eine Wohltat war. Ich schloss die Augen.
Jetzt schlafen.
Der Hausmeister rüttelte mich. Seine Augen glühten.
»Nicht so schnell, meine Schöne! Ich habe dir gesagt, wenn du noch einmal hierher kommst, kostet es Wegzoll. Fügst du dich?«
»Und wenn nicht?«
Statt einer Antwort klatschte er mir das Messer in die offene Hand.
Ich zuckte zusammen, aber die Wunden an meinen beiden Händen waren verheilt. Keine Brandblasen mehr, auch keine Abschürfungen, gesunde rosige Haut bedeckte Finger und Handballen. Mir klappte der Unterkiefer herab.
»Du bist ein Heiler!«
Der beste, den ich je gesehen hatte. Die, von denen ich wusste, konnten meistens nur Schmerzen lindern. Sie wirkten
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