Persilschein
Abdruck auch in der Wohnung Schmidts gefunden haben. Aber, wie gesagt, nicht vollständig.«
»Schade. Und was ist mit der Waffe?«
»Da wissen wir mehr. In letzter Zeit wurde diese Pistole nicht benutzt. Dafür aber vor etwas über einem Jahr. Du erinnerst dich an den Raubüberfall auf den Geldboten dieses Kaufhauses?«
Goldstein wusste, wovon Markowsky sprach. Damals war der Bote, der die Wochenendeinnahmen des Herner Warenhauses zu einer Bank in Bochum bringen wollte, bedroht und überfallen worden. Als er die Geldkassette den Räubern nicht sofort aushändigen wollte, hatten die Täter ihm in den rechten Fuß geschossen. Der Kurier ließ die Kassette fallen und die Gangster konnten unerkannt mit ihrer Beute entkommen. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Vermutungen, dass Geldbote und Räuber unter einer Decke steckten, ließen sich nicht beweisen.
»Mit der Walther aus Schmidts, ach was, Lahmers Wohnung wurde der Mann angeschossen?«
»Genau.«
»Das ist ja interessant.«
»Dann sind da noch die Abdrücke aus Müllers Bleibe. Die meisten sind vermutlich von dem Flüchtigen selbst. Die anderen können wir nicht zuordnen.«
»Keiner von Lahmer?«
»Nein.«
»Und der auf der Kassette …«
»Ist definitiv nicht von Müller.«
Goldstein seufzte. »Wäre ja auch zu schön gewesen. Sonst irgendwelche Hinweise in Müllers Wohnung?«
»Nein, nichts. Fast so, als habe er dort nur seinen Urlaub verbracht.«
Wie bei Lahmer, dachte Goldstein.
»Schon eigenartig. Keinerlei persönliche Unterlagen. Dabei hatte er doch keine Zeit zum Packen, oder?«
»Nein, definitiv nicht.«
»Ach so, fast hätte ich es vergessen. Die Zentrale hat hinter dir her telefoniert. Ein Doktor Bergmann hat versucht, dich zu erreichen und da ich ebenfalls mit dem Fall beschäftigt bin, haben sie ihn zu mir durchgestellt. Er wollte aber nur mit dir persönlich sprechen.«
Bergmann. Der Schriftsachverständige.
»Und?«
Markowsky zog einen Zettel aus der Tasche und reichte ihn Goldstein. »Er ist im Moment nicht in seinem Büro erreichbar, hat er mir erzählt. Aber wenn du ihn sprechen willst, kannst du ihn auf dieser Nummer privat anrufen.«
»Danke.«
»Freut mich, wenn wir dir helfen konnten.« Markowsky hob die Hand. »Immer wieder gern zu Diensten.« Dann ließ er Goldstein allein.
Der griff sofort zum Hörer und rief den Experten an. Eine Kinderstimme erklärte fröhlich, dass der Papa gerade im Keller sei, um der Mama beim Wäscheaufhängen zu helfen. Aber Papa würde bestimmt gleich wieder da sein. Dann ein Poltern, als ob der Telefonhörer unsanft abgelegt wurde, Schritte, Rufen, Türenschlagen. Dann war Ruhe. Goldstein wartete einen Moment und wollte schon auflegen, als sich jemand meldete.
»Bergmann?«
»Goldstein. Kripo Herne. Sie hatten versucht, mich zu erreichen?«
»Ja. Es geht um die Unterschriften, die Sie mir zur Begutachtung vorgelegt haben. Ich habe sie sorgfältig geprüft und bin zu einem Ergebnis gekommen. Die Signaturen stammen eindeutig von verschiedenen Personen.«
Der Hauptkommissar atmete tief durch. »Kein Zweifel möglich?«
»Nein. Sehen Sie, die grafischen Grunddimensionen der Strichbeschaffenheit, der Druckgebung, des Bewegungsflusses und die Merkmale der …«
»Ich benötige Ihren Bericht noch schriftlich«, unterbrach Goldstein den Redefluss des Wissenschaftlers.
»Wie? Ja. Natürlich. Gleich morgen.«
»Vielen Dank, Herr Bergmann. Sie haben mir sehr geholfen.« Der Hauptkommissar legte auf.
Ein Lahmer. Ein Schmidt. Und ein Unbekannter, der sich als Letzterer ausgegeben hatte, wie er jetzt wusste.
23
Montag, 2. Oktober 1950
Seine im Krieg antrainierten Gewohnheiten waren ihm zu Hilfe gekommen. So hatte er schon vor Wochen einen möglichen Fluchtweg ausbaldowert: Erst die Feuerleiter hinunter und über die Mauer. Durch die zwei angrenzenden Trümmergrundstücke und die dahinterliegende Kleingartenanlage. In einem der Gärten die Jacke wechseln und das Aussehen mit Perücke und Bart verändern. Schließlich die Nebenstraße entlang bis zur Haltestelle. Und dann mit der Straßenbahn nach Wanne-Eickel, von dort weiter nach Gelsenkirchen, um sich in einer billigen Absteige in der Nähe des Hauptbahnhofes einzumieten.
Als die Polizisten noch das Gelände um seine Wohnung abgesucht hatten, lag er längst auf dem Hotelbett und freute sich über seine geglückte Flucht.
»Wenn Sie sich in ein Schlamassel begeben, denken Sie vorher darüber nach, wie Sie wieder herauskommen.« Diesen
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