Persilschein
abgingen.
Hinter ihm knarrte der Holzboden.
»Wat suchen Se hier«, fuhr ihn eine mürrische Stimme an.
Goldstein drehte sich um. Vor ihm stand ein älterer Mann in einem grauen Kittel.
»Familie Breitschneider.«
»Un wat wolln Se von den Breitschneiders?«
»Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, konterte der Hauptkommissar.
»Un ob mich dat wat angeht«, fauchte der Mann zurück. »Ich bin hier der Hausmeister. Ich hab für Ordnung zu sorgen. Hier kann nich jeder einfach so reinspazieren. Also, wat is getz?«
Goldstein seufzte und zückte seinen Ausweis. »Kriminalpolizei. Wo wohnt die Familie nun?«
»Hat der Olle wat ausgefressen? Dat wundert mich nich. Saufen und nich arbeiten. Dat sind die Richtigen. Ich sach ja immer, früher wär dat nich …«
Solche Typen kannte der Kriminalpolizist. Denen war immer noch nicht klar geworden, dass die Zeit der Naziblockwarte abgelaufen war. Ärgerlich erwiderte er: »Nein. Es liegt nichts gegen die Familie vor.« Dann wurde sein Tonfall schärfer. »Und jetzt sagen Sie mir unverzüglich, wo ich die Familie finden kann.«
»Fünfte Tür rechts«, antwortete der Hausmeister, sichtlich eingeschüchtert. »Warten Se. Ich begleite Se.«
»Das ist nicht nötig.«
Goldstein wartete, bis der Hausmeister die Baracke wieder verlassen hatte. Er war allerdings sicher, dass der Mann den Eingang nicht aus den Augen lassen würde.
Danach ging er zur fünften Tür und klopfte.
Eine verhärmt aussehende Frau öffnete.
»Guten Tag. Ich möchte zu Frau Breitschneider.« Goldstein warf einen Blick in den Raum. Auf Wäscheleinen gehängte Bettlaken trennten das Zimmer in drei annähernd gleich große Teile, deren Einrichtung eigentlich nur aus Doppelstockbetten bestand. Direkt neben der Tür stand ein Tisch mit Stühlen. Goldstein schätzte, dass es ein knappes Dutzend sein musste. Wohnten in diesem Raum so viele Menschen?
»Ich bin Eleonore Breitschneider. Was wollen Sie?«
Goldstein zeigte erneut seinen Ausweis und stelle sich vor. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«, fragte er dann.
Die Frau lachte auf und zeigte in den Raum hinter ihr. »Hier wohnen elf Personen. Privatleben gibt es nicht.«
»Verstehe. Hat der Hausmeister ein Büro?«
»Ja. Aber da dürfen wir nicht rein.«
»Er wird jetzt eine Ausnahme machen. Würden Sie mir bitte folgen?«
Wie erwartet, stand sich der Verwalter vor der Tür die Beine in den Bauch. Es dauerte nicht lange, bis Goldstein den Widerstand des Mannes gebrochen hatte und sich mit Eleonore Breitschneider im Büro gegenübersaß.
»Frau Breitschneider«, begann Goldstein. »Ich muss Ihnen eine traurige Mitteilung machen. Ihr Gatte hatte einen Unfall. Er ist …« Der Hauptkommissar räusperte sich. »Er ist tot.«
»Tot?« Eleonore Breitschneider blickte ins Leere. Ihre Augen wurden feucht. Sie zitterte.
Für einen Moment glaubte Goldstein, dass sie zusammenbrechen würde.
Aber dann hatte sie sich gefangen. »Wie … Wie ist es passiert?«
»Ein Zugunglück. Ihr Mann war auf den Schienen unterwegs und ist von einer Lokomotive erfasst worden.«
»Wann war das?«
»In der Nacht zum Samstag.«
»Ich hatte schon vermutet, dass etwas passiert ist. Er war ja das ganze Wochenende weg. Das hat er sonst nie gemacht. Wenn er zu seinen Saufzügen aufbrach, war er spätestens am nächsten Tag wieder da. Morgen wollte ich zur Polizei. Ich dachte mir, dass er mit dem vielen Geld einfach länger wegbleiben würde.« Sie machte eine Pause. Wieder dieser leere Blick. »Warum kommen Sie erst heute?«
»Wir konnten Ihren Mann zunächst nicht identifizieren. Er trug keine Papiere bei sich.«
Für einen Moment erschien ein Funke Hoffnung in ihren Augen. »Kein Ausweis? Dann kann es nicht Heinz sein. Er ging nie ohne seine Brieftasche aus dem Haus.«
Goldstein dachte an die Akte, die ihm Markowsky gebracht hatte. Dort waren der Tote und die Kleidung, die er trug, im Detail beschrieben. Außerdem war Breitschneider von einem seiner Saufkumpane identifiziert worden. »Trug Ihr Gatte eine dunkle Wolljacke und einen braunen Pullover?«
»Ja«, antwortete sie ängstlich.
»Schwarze Lederhalbschuhe?«
»Ja.«
»Er war etwa einssiebzig groß, leicht untersetzt und hatte dunkles Haar?«
»Ja.« Ihr Tonfall verriet, dass ihre Hoffnung erloschen war.
»Ihr Ehemann wurde von einem der Bekannten wiedererkannt, mit dem er den Abend verbracht hatte. Heute Morgen war ein Bericht in der Presse. Er hat ihn gelesen und sich bei uns gemeldet.
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