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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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für ihre gegenseitigen Geschenke nicht mehr als fünf Mark auszugeben.
    »Dreißig, zwanzig oder fünfzehn den?« Die Stimme der Verkäuferin riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Bitte was?«
    »Die Strümpfe. Mit den wird die Garnstärke bezeichnet.« Als sie sein ratloses Gesicht sah, setzte sie hinzu: »Je feiner die Garnstärke, umso eleganter wirken Nylons.«
    »Ach so. Dann die feineren, bitte.« Goldstein erinnerte sich daran, dass Lisbeth sich im Krieg mit einem Stift einen geraden Strich auf ihre braunen Waden gemalt hatte. »Und haben die Strümpfe eine Naht?«
    Die Verkäuferin schaute ihn fassungslos an. »Es gibt sie nur mit Naht.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Auch mit Hochferse?«
    Goldstein hatte nicht die geringste Ahnung, wovon die junge Frau sprach und nickte nur.
    »Und die Farbe?«
    »Braun.«
    »Dunkel oder hell?«
    Goldstein schwor sich, nie wieder ohne weibliche Unterstützung ein Kaufhaus zu betreten. »Eher dunkel.«
    »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«
    Ja. Den Laden hier zu verlassen. Er war sich nur selten in seinem Leben so dumm und hilflos vorgekommen wie im Moment. »Nein, danke.«
    Sie gingen zur Kasse. Die Verkäuferin legte die Waren ab, entfernte die Preisschilder und reichte sie der Kassiererin. Während diese die Beträge in ihre Registrierkasse tippte, verpackte die andere Goldsteins Einkäufe in Geschenkpapier.
    »Dreiundzwanzigvierzig«, hörte er die Frau dann sagen.
    Mit zitternder Hand fingerte er die Geldscheine hervor und steckte das Wechselgeld ein. Wegelagerer, dachte er beim Herausgehen. Halsabschneider! Er hatte soeben mehr als fünf Prozent seines monatlichen Gehaltes ausgegeben.
    Erst als er sich auf der Straße umdrehte, registrierte er das Schild über dem Eingang. Kaufhaus Trasse.
    34
     
    Montag, 9. Oktober 1950
     
    Im Büro rief sich Goldstein den gestrigen Tag ins Gedächtnis. Lisbeth hatte sich aus ganzem Herzen über seine Geschenke gefreut. Sie war ihm um den Hals gefallen und hatte ihn überschwänglich geküsst. Alle Unstimmigkeiten der letzten Zeit waren wie weggeblasen. Schließlich rügte sie ihn, dass er zu viel Geld ausgegeben hätte, doch ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie das nicht im Mindesten störte. Sowohl der Tag als auch der Abend waren harmonisch verlaufen, selbst zwischen ihm und seinem Schwiegervater fiel kein böses Wort. Und als er seiner Frau dann versprochen hatte, sich den Dienstag freizunehmen, um mit ihr den schon lang geplanten, aber immer wieder verschobenen Ausflug in die Landeshauptstadt zu machen, schien sie ihm endgültig verziehen zu haben.
    Es klopfte. Eine Mitarbeiterin brachte die Post. Obenauf lag eine Akte der Polizei Gelsenkirchen. Der Bericht seiner Kollegen.
    Goldstein nahm ihn zur Hand und studierte die Ausführungen aufmerksam. Noch immer hielt sich bei ihm das Gefühl, dass am Selbstmord Müllers etwas nicht stimmte. Nur was?
    Er sah sich die Tatortfotos genauer an. Das schäbige Hotelzimmer. Der Stuhl, auf dem Müller in sich zusammengesackt war. Das Blut. Der herunterhängende rechte Arm. Und die Pistole auf dem Boden darunter. Was, zum Teufel, war hier falsch?
    Goldstein las den Bericht erneut. An einem Satz blieb er hängen. … Hat sich das Opfer die Waffe mit der rechten Hand an die rechte Schläfe gehalten. Die Schmauchspuren rechts …
    Müller hatte sich mit der rechten Hand erschossen. Das war es!
    Der Hauptkommissar sprang auf, eilte zum Regal und suchte den Bericht des Gerichtsmediziners heraus, den dieser nach der Untersuchung des toten Lahmer erstellt hatte. Hastig blätterte er durch die Seiten.
    Dann fand er das Gesuchte. Schwarz auf weiß stand da, was Gerber schon am Fundort des Toten gesagt hatte: Der Schnitt selbst reicht von rechts oben nach links unten. Das bedeutet, der Täter hat die Tatwaffe mit der linken Hand geführt.
    Müller war mit aller Wahrscheinlichkeit Linkshänder! Und ein Linkshänder erschießt sich mit der rechten Hand? Der Polizist griff zum Hörer.
    »Gerber«, meldete sich der Mediziner.
    »Goldstein. Sagen Sie, haben Sie eigentlich die Begutachtung der Leiche schon abgeschlossen, die am Freitag eingeliefert wurde?«
    »Das Schussopfer? Ja.«
    »Gibt es etwas Besonderes?«
    »Ja. Es war tot.«
    »Sehr komisch.« Gerber war für seine makabren Scherze berüchtigt.
    »Was wollen Sie wissen?«
    »Ihre Einschätzung.«
    »Tja, Todesursache Schussverletzung in der rechten Schläfe. Dabei wurden Teile des Kleinhirns zerfetzt und …«
    »Das meine ich nicht«, unterbrach

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