Persilschein
überzeugt, dass es besser für ihn ist, zu schweigen.«
»Wenigstens etwas, was Sie richtig gemacht haben.«
Das Knacken in der Leitung zeigte, dass sein Gesprächspartner aufgelegt hatte. Schwarz wusste, dass er sich einen weiteren Fehler nicht würde erlauben können. Unverzüglich machte er sich deshalb daran, seinen Auftrag auszuführen.
Das Zimmermädchen arbeitete noch. Schwarz ließ sie von dem Portier rufen und verschwand mit ihr im Raum hinter dem Tresen. Sorgfältig schloss er die Tür.
»Sie wissen, wer ich bin?«, begann er das Gespräch.
»Ja«, antwortete die junge Frau eingeschüchtert.
»Sie heißen Angelika Felsbach?«
Ein Nicken als Antwort.
Schwarz griff in seine Jackentasche und zog ein Goldkettchen hervor. »Gehört das Ihnen?«
Kopfschütteln.
»Ich fand das aber in Ihrer Manteltasche.«
Ein langer, entgeisterter Blick. Noch heftigeres Kopfschütteln.
»Wenn die Kette nicht Ihr Eigentum ist, wie kommt sie in Ihren Mantel?«
»Ich weiß nicht, ich hab …«
»Sie haben Sie gestohlen, nicht wahr? Einem Gast?«
»Nein, dat stimmt nich. Ich hab noch nie wat geklaut.« Ihre Augen wurden feucht.
»Dann war es eben heute das erste Mal. Ich glaube, wir müssen uns auf dem Polizeipräsidium weiter unterhalten.«
Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte. »Bitte …«
Schwarz beobachtete ungerührt das Ergebnis seiner Einschüchterung und sagte: »Es gäbe vielleicht eine Möglichkeit, eine Anzeige zu vermeiden.«
In ihren Gesichtszügen war vorsichtige Hoffnung zu erkennen.
»Sie geben die Kette zurück und kündigen. Außerdem verlieren Sie kein Wort über das, was Sie in diesem Hotel gesehen oder gehört haben.«
»Abba, ich, äh, meine Familie brauch doch dat Geld.«
»Sie arbeiten hier stundenweise?«
»Ja.«
»Was verdienen Sie im Monat?«
Sie zögerte.
»Na, so ungefähr.«
»Sechzig, siebzig Mark.«
Schwarz griff zu seiner Brieftasche. »Hier sind dreihundert. Das dürfte zunächst reichen. Suchen Sie sich eine andere Stelle.« Er hielt das Schmuckstück hoch. »Ich kümmere mich um das hier. So, und jetzt packen Sie Ihre Sachen und verschwinden. Sollte mir zu Ohren kommen, dass Sie sich nicht an unsere Abmachung halten …« Er zielte mit dem linken Zeigefinger auf das Schmuckstück. »Immer daran denken.«
Sie nickte dankbar, nahm das Geld entgegen und ging.
Kurz darauf folgte ihr Schwarz und erkundigte sich bei dem schwerhörigen Alten nach der Postadresse der Angestellten. Der Mann durchstöberte seine Schubladen und fand einen Zettel mit einer Anschrift.
Der Kommissar steckte ihn ein. »Vergessen Sie die Kleine. Und ihre Adresse. Ach ja, und besorgen Sie sich ein neues Zimmermädchen.«
36
Dienstag, 10. Oktober 1950
Saborskis Sekretärin klopfte und schob ihren Kopf durch den Türspalt.
»Ich wollte doch nicht gestört werden«, brauste ihr Vorgesetzter prompt auf.
»Entschuldigen Sie, Herr Kriminalrat. Aber ich glaube, das ist wirklich wichtig.« Sie trat einen Schritt beiseite und ein groß gewachsener, hagerer Mann mit einem militärischen Bürstenhaarschnitt kam herein.
Er wartete, bis die Vorzimmerdame Saborskis Büro verlassen hatte und stellte sich vor: »Ministerialdirektor Olsberg. Bundeskanzleramt.« Er streckte Saborski die Hand entgegen. »Ich weiß, wer Sie sind«, meinte er nur, als der Kriminalrat zu einer Erwiderung ansetzte. Olsberg sah sich um, ging dann zu der Sitzgruppe am Fenster und nahm unaufgefordert Platz. Mit der Bestimmtheit eines Mannes, der Anordnungen gab und ihnen nicht Folge leistete, fragte er: »Können Sie mir eine Tasse Kaffee bringen lassen?«
Saborski schnaubte innerlich. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Trotzdem beugte er sich dem Wunsch seines Gastes. Bevor er nicht wusste, was es mit dessen Besuch auf sich hatte, wollte er auf der Hut sein und alles unterlassen, was ihm womöglich schaden konnte.
Kurz darauf stand der Kaffee vor ihnen und Saborski ergriff das Wort. »Was führt Sie zu mir?«
Der Angesprochenen tat so, als habe er die Frage nicht gehört. »Sie sind seit 1938 bei der Polizei?«
Saborski nickte.
»Davor Gestapo, nehme ich an?«
Saborski zog es vor, zu schweigen.
»Und SS natürlich.«
Saborski wurde mulmig zumute. Der Kerl war erschreckend gut informiert. Zwar wussten die britischen Behörden von seiner Tätigkeit für Gestapo und SS, beides hatte jedoch bei seinem Entnazifizierungsverfahren keine Rolle gespielt und war deshalb auch nicht aktenkundig geworden.
Weitere Kostenlose Bücher