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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Unrechtsurteil, gewiss. Davon hatten Richter im Nationalsozialismus viele gefällt. Und bisher war noch nicht einer von ihnen deswegen auf einer Anklagebank gelandet. Selbstjustiz? Mit dem Gedanken hatte er oft gespielt und dabei auch innere Befriedigung empfunden. Nur: Wollte er wirklich seine Zukunft einem kurzen Glücksgefühl der Rache opfern? Er war sich nicht sicher.
    »Wo bleiben die Leeren?«, rief einer seiner Kollegen und stierte in das Dunkel. Der Schein seiner Helmlampe drang nur schwach durch die glitzernde Wand aus Kohlenstaub. »Wo steckst du, Konrad?«, brüllte er dann.
    Konrad Müller raffte sich auf und schob die Wagen weiter.
    »Du machst uns noch dat ganze Gedinge kaputt, wenn du so rumtrödelst«, beschwerte sich ein anderer Kumpel. »Was is los mit dir?«
    »Entschuldigung. Hab heute den Kopf ziemlich voll.«
    »Gesoffen, wa? Steck deine Birne in den Eimer da vorn. Da is Wasser drin. Macht dich wieder munter.«
    »Nee, das ist es nicht.«
    Lachend schlug der Bergmann Müller auf die Schulter. »Der Kleine hat Liebeskummer. Keine Frage. Wie heißt denn deine Süße?«
    »Quatsch«, wehrte sich Müller halbherzig. Es war nicht verkehrt, seine Kollegen in diesem Glauben zu lassen. Das ersparte ihm erneute Fragen, auf die er keine Antwort wusste.
    Er stemmte sich mit der Schulter gegen die zwei Wagen und drückte sie mit der ganzen Kraft seines schmächtigen Körpers weiter.
    »Die kloppen wir getz noch voll und dann is Schicht für heute«, meinte der älteste der Bergleute und griff zur Schaufel. »Nun los, Junge. Steh nich rum un halt Maulaffen feil.«
    Eine gute Stunde später verließ Konrad Müller die Kaue Richtung Lohnhalle, um bei dem zuständigen Fahrsteiger nach ein paar Tagen Urlaub zu fragen. Seine Schwester sei krank geworden, schwindelte er. Und da ihr Mann noch in Gefangenschaft sei, habe sie niemanden, der sich um die Kinder kümmere und Besorgungen erledigte.
    Der Fahrsteiger, ein gutmütiger Fünfzigjähriger, akzeptierte die Geschichte. So machte sich der junge Bergmann daran, das umzusetzen, was er sich während der Schicht ausgedacht hatte.
    Sein Plan schien einfach. Pauly suchte den Kontakt zu Wolfgang Müller, seinem Onkel. Er hatte selbst mitangesehen, dass Müller ein Mörder war, was die Vermutung nahelegte, dass auch Pauly Dreck am Stecken hatte. Und wenn er dafür Beweise sammeln könnte, müsste sich die Staatsanwaltschaft mit dem früheren Richter befassen. So hoffte er zumindest. Ihm fehlten nur die belastenden Hinweise auf mögliche Verstrickungen Paulys in die Machenschaften Müllers. Bis jetzt, machte er sich selbst Mut. Aber er würde sie beschaffen, wenn er ihn sooft wie möglich beobachtete. Und genau dafür wollte er seine freien Tage nutzen.
    41
     
    Donnerstag, 12. Oktober 1950
     
    Goldstein war erst gegen Mittag aufgewacht, nachdem er sich bis in die Morgenstunden unruhig von einer Seite auf die andere gewälzt hatte und dabei das Gespräch mit Saborski immer wieder vor seinem geistigen Auge abgelaufen war. Der Kriminalrat hatte ihn quasi aus dem Verkehr gezogen. Mit freundlichen Worten und ohne jeden Vorwurf, gewiss. Kaltgestellt war er trotzdem. Er zermarterte sich den Kopf, aber eine schlüssige Erklärung für Saborskis Verhalten fiel ihm nicht ein. Die Ermordung Müllers sollte unter den Teppich gekehrt werden, das war eindeutig. Hatte dieser mysteriöse Ministerialdirektor aus dem Kanzleramt etwas damit zu tun? Diese Vermutung lag auf der Hand, denn es war jemand mit sehr viel Einfluss, der da hinter den Kulissen die Strippen zog. Sonst hätte Gerber sich an diesem Täuschungsmanöver nicht beteiligt. Der Arzt fürchtete sogar um sein Leben. Oder war sein Gestammel nur der alkoholumnebelte Hilferuf eines Säufers gewesen?
    Und was war mit Schwarz? Hatte sein Kollege nur schlampig gearbeitet und deshalb das beschädigte Inlett nicht am Tatort gefunden? Wenn ja, musste ein Unbekannter es nach seinem Besuch ausgetauscht haben, da Schwarz ja behauptet hatte, später seien alle Kissen unbeschädigt gewesen. Zeit genug dafür wäre ja gewesen. Nur: Wer konnte von dem Kissen wissen? Saborski, Schwarz und natürlich das Zimmermädchen. Die Kleine hatte bestimmt nichts mit der Sache zu tun, vermutete Goldstein. Sie erschien ihm zu naiv.
    Aber warum hatte der Unbekannte das Inlett nicht schon früher ausgetauscht, sondern erst, nachdem er es entdeckt hatte? Zufall? Schlamperei? Daran glaubte der Kommissar nicht. Nein, sehr wahrscheinlich hatte Schwarz

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