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Persilschein

Persilschein

Titel: Persilschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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etwas Besonderes aufgefallen? Oder an dem fraglichen Morgen selbst?«
    Wüttow runzelte die Stirn. »Am Freitag«, echote er. »Oder an dem Morgen …« Er knetete seine Finger. »Nee, eigentlich … Abba warten Se mal. Doch, da war wat.«
    »Und was?« Goldstein beugte sich gespannt nach vorn.
    »Ich glaub, dat war am Mittwoch. Ja, genau. Meine Else war nämlich an dem Tag krank un war nich zur Arbeit. Ich hab ihr den Pfefferminztee ans Bett gebracht. Un dann hab ich dat Fenster aufgemacht. War ja ein schöner Tag. Richtig mild. Nich so’n Wetter wie heute.« Er sah nach draußen. Der Regen war heftiger geworden und dicke Tropfen platschten gegen die Fensterscheibe. »Un da hab ich den beobachtet. Der kam mir gleich so komisch vor.«
    »Wen haben Sie gesehen?«
    »Na, den Mann da. Der stand erst vorm Hotel un is danach innen Hof gegangen. Ich mein, wat hat der im Hof zu suchen? War keiner von den Angestellten, die kenn ich ja alle. Also, nur so vom Sehen, mein ich. Gesprochen hab ich mit denen noch nie. Mal kurz mit dem fast Tauben. Un mit die Kleine, die da putzt.«
    »Sie haben einen Mann registriert, der den Hotelhof betreten hat. Und weiter?«
    »Is er wieder rausgekommen un in dat Hotel rein.«
    Goldstein war enttäuscht. Ein toller Zeuge.
    »Da is er abba sofort wieder raus. Un dann die Straße runtergelaufen. Also, nich so richtig gelaufen. Weil, dat konnte der nich so.«
    »Warum nicht?«
    »Wegen dem sein Bein. Dat rechte. Hat der nachgezogen. Wie mein Hannes.«
    »Hannes?«
    »Mein Sohn. War bei die Pioniere. Dem hat der Iwan auch innen Fuß geschossen. Abba innen linken. Der hinkt genauso.«
    Goldsteins Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Was hatte ihm sein Kollege Markowsky berichtet? Als er die Geldkassette den Räubern nicht sofort aushändigen und fliehen wollte, hatten die Täter ihm in den rechten Fuß geschossen. Der Überfall auf den Geldboten! Hatte Wüttow etwa Allemeyer vor dem Hotel gesehen?
    »Können Sie den Mann beschreiben?«
    »Äh, nee. Also, nich so richtig.«
    »Versuchen Sie es.«
    »Ja, also. Der war groß. Vielleicht einsachtzig. Oder noch größer. Dat kann man von hier oben nur schlecht sagen, wissen Se. Un der dicke Mantel. Deshalb is mir der auch aufgefallen. Wer rennt bei so ’nem warmen Wetter wie vor’n paar Tagen mit ’nem Mantel durch die Gegend? Ach ja, un der Hut.«
    »Und wie sah er aus?«
    »Der Hut?«
    »Natürlich nicht. Konnten Sie das Gesicht des Mannes sehen?«
    Wüttow blickte Goldstein vorwurfsvoll an. »Ich sach doch, dat is von hier oben nich zu erkennen. Mehr kann ich Ihnen nich erzählen, Herr Kommissar.«
    Goldstein dachte einen Moment nach. Dann erkundigte er sich: »Sie haben sicher im Haus über die Vorfälle gesprochen.«
    Wüttow nickte heftig.
    »Dachte ich mir. Was haben denn die anderen wahrgenommen?«
    »Nichts. Die sind tagsüber alle auf Arbeit. Ich bin ja schon in Rente. Un wenn meine Else auch auf Schicht is, gucke ich eben aus’m Fenster. Wat soll ich auch sonst machen?«
    Goldstein erhob sich. »Bleiben Sie sitzen, Herr Wüttow, ich finde allein hinaus.«
    Als der Hauptkommissar die Wohnzimmertür fast erreicht hatte, meldete sich Wüttow erneut zu Wort. »Ich weiß ja nich, ob es wichtig is, abba an dem Freitagmorgen war der Hinkefuß noch mal da.«
    Goldstein blieb stehen und fuhr herum. »Was sagen Sie da?«
    »Ja. Abba nich allein. Da war so’n zweiter Kerl dabei. Nur erkennen konnte ich nich viel. War ja ziemlich dunkel.« Wüttow rieb sich das Kinn. »Es könnte natürlich jemand anderes gewesen sein. Also einer, der auch hinkt. Denn da bin ich mir sicher. Gehinkt hat der.«
    »Wann war das?«
    »Dat war so gegen fünf Uhr. Vielleicht auch’n bisken später. Abba garantiert noch keine sechs. Denn da geht meine Else aus’m Haus. Un die war an dem Morgen noch da.«
    Das deckte sich mit den Angaben, die Schwarz über den Todeszeitpunkt Müllers gemacht hatte. Hatte es sich bei dem Hinkenden tatsächlich um Allemeyer gehandelt? Und hatte er etwas mit dem Tod Müllers zu tun?
    »Vielen Dank, Herr Wüttow. Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
    Der Dicke strahlte. »Gern geschehen.«
    42
     
    Freitag, 13. Oktober 1950
     
    Am Morgen war Konrad Müller von seiner Wohnung in Wanne-Eickel mit der Straßenbahn in die Herner Innenstadt gefahren. Sein Ziel war die Kleingartensiedlung, in der Pauly Quartier bezogen hatte.
    Das schlechte Wetter des gestrigen Tages war wie weggeblasen, als er zu Fuß das letzte Stück des Weges entlangging. Von

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