Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
bei den Bemühungen der Behavioristen um eine exakte Verhaltenserklärung eine wichtige Rolle gespielt. So beobachten wir, dass ein Hund einen Raum betritt, den gefüllten Fressnapf erblickt, sofort darauf zuläuft und das Fressen hinunterschlingt. Daraus folgern wir, dass der Hund »hungrig« war. Diesen »inneren Zustand« – so die Behavioristen – können wir aber gar nicht beobachten, sondern nur das Verhalten des Hundes. Noch schlimmer wird es in den Augen der Behavioristen, wenn wir das Verhalten des Hundes dadurch zu erklären versuchen, dass er hungrig war, denn das wäre ein klassischer Zirkelschluss. Genauer gesagt: Wir folgern aus dem beobachteten Verhalten einen inneren Zustand und nehmen dann diesen inneren Zustand zur Erklärung des beobachteten Verhaltens. Auf diese unzulässige Weise kommt man zu einem großen Repertoire an völlig hypothetischen »inneren psychischen Zuständen«. Die radikale Aussage der Behavioristen lautete deshalb: Beschränkt euch auf das beobachtbare Verhalten und verzichtet auf jede Spekulation über angebliche innere Zustände.
Das Dilemma ist, dass es unleugbar solche inneren Zustände gibt. Allerdings sind sie nicht ohne weiteres mit dem beobachtbaren Verhalten in Verbindung zu bringen, und wir sind deshalb stets in der Gefahr der zirkulären Definition psychischer Zustände. Dazu gehört eben auch der Begriff der Motivation. Wie können wir diese Gefahr bannen? Die einzige Möglichkeit besteht darin, die nicht direkt beobachtbaren inneren Zustände verlässlich mit beobachtbaren physiologischen Zuständen im Gehirn oder im sonstigen Körper in Verbindung zu bringen. Dies ist bei Appetenz und Aversion durchaus möglich.
Wir stellen nämlich, wie bereits erwähnt, fest, dass positive und negative Gefühle gesetzmäßig mit der Ausschüttung bestimmter Substanzen im Gehirn verbunden sind. Bei Gefühlen der Zufriedenheit, des Glücks, der Freude bis hin zu Euphorie und Ekstase geht es um die Ausschüttung ganz unterschiedlicher Substanzen, zu denen der Neuromodulator Serotonin und Neuropeptide wie Endorphine, Enkephaline und Endocannabinoide, Neuropeptid Y, Vasoaktives Intestinales Peptid, Prolactin und Oxytocin gehören. Die meisten davon haben eine schmerzlindernde (analgetische) und stressmindernde Funktion und rufen zudem unterschiedliche Stufen von Wohlbefinden hervor. Serotonin wirkt über bestimmte Rezeptoren beruhigend, angstmindernd sowie aggressionshemmend. Das Vasoaktive Intestinale Peptid fördert Vermeidungslernen und hemmt angstmotiviertes Verhalten. Besonders vielseitig wirkt das im Hypothalamus gebildete Oxytocin. Es wird bei der Frau beim Geburtsvorgang ausgeschüttet und löst die Wehen aus. Darüber hinaus fördert es die Milchbildung und wirkt als »Bindungshormon« zwischen Mutter und Säugling. Neuere Untersuchungen haben festgestellt, dass es die Rolle eines Bindungshormons auch in der Beziehung zweier Erwachsenen spielt und beim Geschlechtsverkehr bzw. beim Orgasmus ausgeschüttet wird, eventuell über seine enge Kopplung mit den endogenen Opiaten. Generell wirkt es beruhigend bis euphorisierend und dämpft die Wirkung des Stress-Hormons Cortisol. Es gibt also nicht das eine »Glückshormon«, sondern viele ganz unterschiedliche chemische Substanzen sind am Zustand der Schmerzlosigkeit, Zufriedenheit, des Glücks, der Freude und der Lust beteiligt.
In entsprechender Weise gibt es Stoffe, die im Gehirn negative Gefühlszustände bewirken. Hierzu gehört vor allem Substanz-P. Dieser Stoff vermittelt Schmerzsignale (»P« für »pain«), erhöht allgemein die Erregung und Aggressivität und das männliche Sexualverhalten. Arginin-Vasopressin reguliert den Blutdruck und steigert bei Männern ebenso wie Substanz-P das sexuelle Appetenzverhalten und die Aggression (die Kopplung von Aggression und Sexualität ist typisch für das männliche Verhalten im Gegensatz zu dem der Frauen!). Cholezystokinin kann Panikattacken auslösen, Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) löst über die Produktion von ACTH und Cortisol Stressgefühle und -reaktionen aus. Hinzu kommt die generelle Wirkung von Noradrenalin im Zusammenhang mit Stress, Furcht, Angst, der Erhöhung der generellen Aufmerksamkeit und des Bedrohungsgefühls und bei der Konsolidierung negativ-aversiver Gedächtnisinhalte.
Man kann über die Ausschüttung dieser Stoffe in limbischen Zentren des Gehirns sowie über den Aktivitätszustand des limbischen Systems ziemlich verlässlich auf den Affekt- und
Weitere Kostenlose Bücher