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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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menschlicher Kommunikation nach Versuch und Irrtum ab: Man unterstellt demjenigen, was der andere sagt oder tut, einen vorläufigen Sinn und sieht, wie weit man damit kommt, und korrigiert gegebenenfalls seine erste Interpretation.
    Zweitens mag man ein gemeinsames Verstehen der Worte und Sätze oder der nichtverbalen Kommunikationssignale erreicht haben, aber daran schließt sich eine weitere Verstehens-Ebene an, nämlich was der Kommunikationspartner mit dem, was ich gesagt habe, anfängt , zum Beispiel wie er darauf verbal oder nichtverbal reagiert.
    Störungen ersterer Art liegen in den drei obigen Beispielen nicht vor. Mit allen drei Personen spreche ich klar und deutlich und in verständlichen Worten, und nichts deutet darauf hin, dass sie mich akustisch nicht verstanden haben oder ich unbekannte Begriffe gebrauchte. Auch habe ich nicht von Dingen geredet, die diesen Personen fremd sind – im Gegenteil: Ich habe mein Bestes getan, um mich in ihre Situation hineinzuversetzen. Wir reden ganz offenbar über dasselbe Geschehen. Trotzdem verstehen wir uns nicht, denn sonst müssten mein Freund, mein Mitarbeiter, mein Sohn meine Argumente akzeptieren.
    Wie stelle ich im Alltag fest, ob mich jemand verstanden hat? Eigentlich ist das ganz einfach: Wenn ich jemandem sage: »Reich mir bitte den Hammer!«, und er gibt mir den Hammer, so kann ich davon ausgehen, dass er mich verstanden hat. Die Person hat sich so verhalten, wie ich es erwartet habe, als ich sie aufforderte, mir den Hammer zu reichen. Wenn ich mich mit einem Kollegen am kommenden Montag um 11 Uhr zu einem Treffen bei mir verabredet habe, und er steht um 11 Uhr bei mir vor der Tür, so hat er mich ganz offenbar verstanden. Das Eintreten des von mir erwarteten Verhaltens ist der Beweis für das Verstehen. Falls das nicht der Fall war und es keinen äußeren Hinderungsgrund gab (Krankheit, Autobahnstau, Zugverspätung usw.), so sucht man typischerweise nach dem Grund des Missverständnisses (mein Kollege hat vielleicht angenommen, wir träfen uns bei ihm, oder bei mir um 13 Uhr oder am übernächsten Montag usw.).
    Natürlich ist dies eine ziemlich einfache Situation. Viel schwieriger ist es für einen Lehrer festzustellen, ob die Schüler das kapiert haben, was er an Wissen vermitteln wollte. Zu meiner Schulzeit wurde noch viel Wert auf Auswendiglernen von Gedichten (insbesondere von Schillers »Glocke«!), Textpassagen, Jahreszahlen und Definitionen gelegt, und viele Lehrer waren zufrieden, wenn man das abgefragte Wissen »herunterbeten« konnte. Es kam nicht darauf an, verstanden zu haben, was das Heruntergebetete bedeutete. Der Nachteil dabei war und ist, dass man mit einem derart angeeigneten Wissen nicht arbeiten kann – es ist nicht geistig durchdrungen.
    Was aber ist dann richtiges Verstehen im Gegensatz zum Herunterbeten? Das Herunterbeten geschieht auf eine automatisierte Weise (im Wesentlichen mithilfe der Basalganglien) als eine Aneinanderreihung von Wörtern und Sätzen, so wie man eine komplexere Bewegung ausführt. Niemand muss dabei
nach dem Sinn fragen, man führt die Sache eben aus, man leiert das Gedicht von Schiller einfach herunter. Richtiges Verstehen hat hingegen mit dem Erfassen von Bedeutung zu tun. Im obigen einfachen Beispiel hat mein Partner die Bedeutung des Satzes »Reich mir bitte den Hammer« erfasst. Hätte uns dagegen unser Deutschlehrer gefragt, was Schiller in seiner »Glocke« mit dem Vers »Die Leidenschaft flieht, die Liebe muss bleiben« gemeint habe, dann wäre es mit dem Verstehen schon schwieriger gewesen.
    Sehen wir uns die Sache mit dem Verstehen einmal genauer an. Jemand sagt etwas, und diese Äußerung dringt als Luftschwingungen in das Ohr des Zuhörers und wird im Innenohr in neuronale Signale umgewandelt, die ins Gehirn weitergeleitet werden. Dort werden diese Signale auf vielen Stufen und in unterschiedlichen Zentren des Gehirns analysiert. Zuerst werden sie als sprachliche Laute (und nicht etwa Geräusche) interpretiert, dann werden sie nach Lautgruppen (Phonemen, Silben) und Worteinheiten segmentiert und ihr grammatikalisch-syntaktischer Aufbau wird bestimmt. Schließlich (oder auch gleichzeitig) wird der mögliche Bedeutungsgehalt konstruiert. Dies alles geschieht völlig unbewusst, und zwar in einem Zeitraum, der von etwa dreihundert Millisekunden bei sehr einfachen Lautäußerungen bis zu einer Sekunde bei komplizierteren Sätzen dauern kann. Wir merken in aller Regel nichts von diesem höchst

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