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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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komplizierten Vorgang, an dem in unserem Gehirn bis zu einer Milliarde Nervenzellen beteiligt sein können, wir nehmen nur das Endprodukt bewusst wahr, nämlich einen (in der Regel) sinnhaften Satz, z. B. »Es regnet draußen«. Nur bei mehrdeutigen oder in ihrer Bedeutung unklaren oder sehr komplexen Sätzen wie »Ich gehe jetzt zu meiner Bank« oder »Das Gehirn ist in seiner Speicherkapazität nahezu unbegrenzt« kann sich ein bewusstes Nachdenken über die Bedeutung des Gehörten anschließen.
    Die Bedeutung von Wörtern und Sätzen ergibt sich daraus, dass die akustischen (bzw. phonologischen) und grammatikalisch-syntaktischen Laut- und Sprachmuster mit allen in unserem semantischen Sprachgedächtnis enthaltenen Bedeutungen verglichen werden, die bei dem vorliegenden Muster zutreffen könnten, und es wird diejenige Bedeutung aktiviert, die dem Muster am nächsten kommt bzw. am wahrscheinlichsten ist. Gibt es keine sinnvolle Zuordnung, etwa weil das Lautmuster zu sehr verstümmelt war oder weil ein unbekanntes Wort auftritt, dann entsteht keine oder keine klare Bedeutung. Das vom Gehirn praktizierte Verfahren der »Wahrscheinlichkeitsabschätzung« der Bedeutung von Äußerungen ermöglicht es, akustisch schwer verständliche oder grammatikalisch-syntaktisch teilweise fehlerhafte Äußerungen dennoch zu verstehen.
    Insgesamt gesehen können Bedeutungen von uns nur in dem Maße erfasst werden, in dem erstens die akustisch-phonologische, zweitens die grammatikalisch-syntaktische und drittens die semantische Analyse der Mitteilung in unserem Gehirn hinreichend korrekt verläuft. Da diese Prozesse überwiegend unbewusst vonstatten gehen, haben wir auf den Vorgang der Bedeutungsentstehung meist keinen willentlichen Einfluss. Wir können im Nachhinein zwar darüber nachgrübeln, was ein gehörter Satz wohl bedeuten mag, aber was uns hierbei einfällt und was nicht, hängt wiederum nicht von unserem Willen ab, sondern wird von Gehirnzentren festgelegt, in denen unser Vorwissen abgespeichert ist.
    Zugleich folgt hieraus, dass nur solche Bedeutungen entstehen können, die eine neue Kombination bereits vorhandener Bedeutungen darstellen. Was nicht zuvor als Bedeutung in meinem semantischen Sprachgedächtnis vorhanden war, kann auch nicht zur Erzeugung neuer Bedeutung herangezogen werden. Dies entspricht dem Vorgang der Definition eines neuen wissenschaftlichen oder technischen Begriffs: Hierzu dürfen nur bereits bekannte Begriffe verwandt werden, sonst bleibt der neue Begriff unterdefiniert. Die Definition »Wasser ist eine Substanz, die aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht« ist nur dann eine echte Definition, wenn alle verwendeten Wörter, insbesondere die Begriffe »Wasserstoff« und »Sauerstoff« eine klare Bedeutung haben. Bei einem naturwissenschaftlich gebildeten Zuhörer dürfte klar sein, was »Wasserstoff« und »Sauerstoff« bedeuten, aber ein naturwissenschaftlicher Laie mag sich darunter irgendetwas anderes vorstellen, bei »Sauerstoff« etwas »saures« und sich dann wundern, dass Wasser nicht sauer schmeckt, sondern geschmacklos ist.
    In den meisten Fällen sprachlicher Kommunikation gibt es Wörter, die keine zuvor fest verabredete oder auf sonstige Weise feste Bedeutung haben und auch gar nicht haben können. Dies unterscheidet wissenschaftliche von nichtwissenschaftlicher Kommunikation. Bei den meisten sprachlichen Ausdrücken ist dies entweder gar nicht oder nur unter großem Aufwand möglich. Praktisch alle Ausdrücke, die mit unseren Emotionen und Affekten zusammenhängen, fallen darunter. So ist es nahezu unmöglich, genau zu definieren, was bei einer Person »Freude« oder »Enttäuschung« bedeutet oder was jemand wirklich damit meint, wenn er/sie sagt »Ich liebe dich!«. Diese Worte können zu viele Bedeutungen haben, die stark von der Sprachgemeinschaft, der Gesellschaft bzw. Gesellschaftsschicht abhängen, in der man aufgewachsen ist, insbesondere aber von der ganz persönlichen Erfahrung, wobei hier wiederum Erfahrungen als Kind und Jugendlicher besonders wichtig sind. Es klingen beim Gebrauch solcher Wörter sehr viele Sinngehalte mit, die uns gar nicht bewusst sind. Die Wörter sind in ein Bedeutungsfeld bzw. semantisches Netzwerk eingebettet.
    Hieraus folgt ganz radikal, dass Bedeutungen gar nicht übertragen werden können, sondern in jedem Gehirn erzeugt (konstruiert) werden müssen. Das Ergebnis der Bedeutungserzeugung hängt neben dem Erfolg der akustischen und

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