Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
denn ihre Verarbeitung durch das akzessorische olfaktorische System und die corticomediale Amygdala geschieht unbewusst (es sei denn, der Körpergeruch ist wirklich penetrant). Solche Pheromone signalisieren ziemlich verlässlich die innere Verfasstheit einer Person, also Friedfertigkeit, Zuneigung, Freude, Furcht/Angst, Aggressivität usw., wir nehmen dies aber nur ganz summarisch als »sympathisch« oder »unsympathisch« war. Unsere Verhaltensweisen werden dennoch über die Amygdala durchaus differenziert gesteuert.
Andere nichtverbale Kommunikationssignale sind uns bewusster. Hierzu gehören der Blickkontakt, vor allem seine Länge, und die begleitende Mimik, d. h. die Augenbrauen-, Augenwinkel-, Stirnmuskel- und Mundwinkelstellung. Das Vermeiden des Blickkontakts ist immer ein kommunikatives Alarmsignal und deutet Ausweichen, Unterlegenheit, Verunsicherung oder Verachtung an. Ein langer Blick sagt ebenfalls viel aus, natürlich etwas ganz Unterschiedliches in Zusammenhang mit den anderen mimischen Signalen, zum Beispiel Drohen, Verachtung, Hilfesuchen, Freundlichkeit, Freundschaft, Liebe/Verliebtsein. Im persönlichen Gespräch zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter darf der Blickkontakt nicht zu kurz und nicht zu lang sein – wie lang, das ist kulturell sehr verschieden. In jedem Fall ist ein solcher kommunikativer Blick meist eine Frage von Sekunden.
Zu den mimischen Signalen kommen die Gestik, die Kopf- und Körperhaltung, vornehmlich auch die Schulterhaltung. Auch hier kommt es auf Zentimeter an, die zwischen Dominanz, Bedrohung, Unsicherheit, Gelassenheit und Entgegenkommen unterscheiden lassen. Dasselbe gilt für die Art, wie wir jemandem die Hand geben, ob mit vertikaler Handstellung auf gleicher Höhe oder mit dem Handrücken nach oben und »von oben herab«, ob der Händedruck fest, kraftlos, trocken oder feucht ist. Ich habe einen Kollegen in einflussreicher Stellung, der hoch gewachsen ist und den anderen Personen immer mit dem Handrücken nach oben und von oben herab die Hand gibt und dadurch spontan aversive Gefühle hervorruft, obwohl er sich ansonsten freundlich gibt. Wahrscheinlich sind ihm dieses Verhalten und diese Wirkung überhaupt nicht bewusst.
Die Persönlichkeit kommt über diese genannten Signale zum Ausdruck – das ist eine Alltagsweisheit. Aber diese Signale drücken auch den Grad an Vertrauenswürdigkeit aus. Es gibt eine typische Stellung der Augenbrauen, der Augenwinkel und der Mundwinkel kombiniert mit einer bestimmten Gestik und Körperhaltung, die mitteilt: »Du kannst mir vertrauen! Auf das, was ich sage, kannst du dich verlassen, ich meine es ehrlich!«. Andere Kombinationen, besonders eine bestimmte Kombination von Augenwinkel- und Mundwinkelstellung (das so genannte »amerikanische Lächeln«) rufen dagegen den Eindruck hervor: »Ich meine es nicht ehrlich!«. Charakteristischerweise kann der Betroffene dies nicht kontrollieren, es sei denn, er ist ein vollendeter Schauspieler oder Demagoge. Ich erinnere mich an einen amerikanischen Kollegen, der (zumindest als Student und junger Wissenschaftler) die Zungenspitze in einen Mundwinkel steckte, wenn er schwindelte (jeder im Institut wusste das, nur er nicht!). Manche Personen signalisieren »Ich fühle mich sehr gestresst«, indem sie ihre Zunge in eine Backe bohren – auch dies geschieht meist völlig unbewusst.
Glaubwürdigkeit wird sprichwörtlich »ausgestrahlt«, ebenso wie Unglaubwürdigkeit, und dies bedeutet, dass wir sie überhaupt nur als diffuse Signale bewusst wahrnehmen. Sie nehmen dann ihren Weg zur Amygdala entweder direkt über den Thalamus ohne Einbeziehung der Großhirnrinde, oder die rechtshemisphärischen Mimik- und Gestik-Areale teilen ähnlich »globale« Nachrichten mit. Wir erfahren sie sozusagen nebenbei, während wir uns mit einer Person unterhalten. Dies konnte vor einigen Jahren eindrucksvoll von amerikanischen und britischen Kollegen (Adolphs et. al, 1999; Winston et al., 2002) mithilfe der funktionellen Kernspintomographie gezeigt werden. Während Versuchspersonen die Gesichter führender amerikanischer Politiker betrachteten, wurde eine Gruppe gebeten, deren Glaubwürdigkeit einzuschätzen, und die andere Gruppe, deren Alter abzuschätzen. Im ersten Fall wurde die Amygdala von denjenigen Gesichtern stark aktiviert, die als wenig vertrauenswürdig eingestuft wurden, im zweiten Fall war die Amygdala bei denselben Gesichtern aktiv, obwohl hierbei gar nicht die Glaubwürdigkeit, sondern das
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