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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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muss ich mich ändern. Wenn der Verlag dringend auf das Buch wartet (es ist bei den Buchhändlern schon angekündigt!), wenn ich als älterer Lehrer keinen anderen Job mehr finde, aber auch nicht in den Vorruhestand gehen kann, wenn ich als Abteilungsleiter zumindest kurzfristig weder einen neuen Job finden noch mich innerhalb des Betriebs umorientieren kann, dann muss ich an mir arbeiten, mich selbst motivieren . Ich bin dann mir gegenüber interessanterweise in derselben Situation wie ein Vorgesetzter gegenüber seinem Mitarbeiter, den er zu ändern trachtet. All das, was dort zwecklos ist, ist auch hier zwecklos, und was dort möglicherweise geht, kann auch hier probiert werden.
    Selbstveränderung kann entsprechend auf drei Vorgehensweisen beruhen. Die erste besteht im Nacheifern eines Vorbildes. Ich erfahre, dass irgendjemand, den ich bewundere oder achte, sich in einer ähnlichen Situation befand wie ich und sie meisterte. Viele bedeutende Werke (natürlich auch viele unbedeutende!) wurden unter großen seelischen Mühen vollendet, ganz abgesehen von äußeren Widerständen. Ich bewundere diejenigen großen Dichter, Komponisten und Maler, die für die Schublade bzw. die eigenen vier Wände schufteten, weil ihnen jegliche öffentliche Anerkennung versagt war. Hier kann man sich sagen: »Der hat es geschafft, warum ich nicht?«. Natürlich gehört schon eine gehörige Portion Selbstgewissheit dazu, sich unter diese großen Verkannten zu zählen – aber es hilft gelegentlich!
    Die zweite Vorgehensweise besteht darin, sich klare und leuchtende Ziele zu setzen, am besten in Form einprägsamer Bilder: »Genau das will ich erreichen, da will ich hin!«. Es ist wichtig, sich das Ziel, das man erreichen will, bzw. die deutlichen Bilder davon jeden Tag zu wiederholen: »Ich will genau diese Prüfung schaffen, ich will dieses Buch zu Ende schreiben, ich will Abteilungsleiter werden, ich will in diesem Betrieb ganz oben stehen!« Natürlich ist dies typisch für Männer und geht auch nur bei einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur, die vom »Machtmotiv« und »Leistungsmotiv« geprägt ist (vgl. Kapitel 11). Man kann sich selbstverständlich auch in die Gegenrichtung bewegen und sich jeden Tag sagen: »Lerne deine Ungeduld beherrschen, lerne Rücksichtnahme, lerne Verzicht, lerne Mäßigung!«, aber das muss wiederum mit ganz konkreten Vorstellungen und Situationen verbunden sein, sonst funktioniert es nicht. Man muss sich entsprechend vornehmen: »Bei der nächsten Auseinandersetzung mit dem Lebenspartner hast du nicht das letzte Wort; du verzichtest bei Wortgefechten genau auf die verletzende Äußerung, die du sonst so gern vorbringst.« Oder »du redest deinem Chef nicht wieder nach dem Mund«, »du fährst bewusst langsamer und hältst dich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen, obwohl sie lächerlich erscheinen« usw.
    Diese Vorgehensweise ist an Einübung und Automatisierung gebunden. Man muss dabei wenige und möglichst konkrete Situationen auswählen, in denen man die neuen Verhaltensweisen täglich oder sogar mehrmals täglich einüben kann und sich die Ziele und Bilder immer wieder vor Augen hält. Solche Veränderungen werden eben nicht per einmaligen Willensakt, sondern nur durch anhaltende Selbstkonditionierung erreicht.
    Die dritte Vorgehensweise ist die der kleinen Schritte kombiniert mit Selbstbelohnung. Anstatt einem großen Ziel nachzueifern, einigt man sich mit sich selbst auf kleine Fortschritte, für die man sich ebenso kleine Selbstbelohnungen ausdenkt. Im Falle des zu Ende zu schreibenden Buches könnte dies heißen: »Jeden Tag zwei Seiten!«, und am Ende einer Woche leistet man sich eine besonders gute Flasche französischen Rotweins. Oder: »Am Samstag werden die liegen gebliebenen Gutachten geschrieben!«, und man darf dann am Sonntag faulenzen (für einen Tag nichts Berufliches zu tun ist für einen gestressten Wissenschaftler schon eine erhebliche Selbstbelohnung). Als Belohnung dafür, dass man sich bei einer Diskussion der Abteilungsleiter nicht wie üblich in den Vordergrund gedrängt hat, kauft man sich einen schönen Bildband. Oder man macht sich einen ganz rigiden Tagesplan, der einem vorschreibt, dass die unangenehmen Dinge – soweit möglich – am Morgen zuerst erledigt werden, dann kommen die angenehmeren.
    Natürlich muss man bei dieser Art von Selbstbelohnung genauso vorgehen wie bei Belohnungen allgemein, d. h. man muss die Abstände zwischen den Belohnungen vergrößern

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