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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Hypothalamus (einschließlich der so genannten präoptischen Region) befindet sich im unteren Teil des Zwischenhirns direkt über der gut erkennbaren Hirnanhangsdrüse (der Hypophyse ) (vgl. Abbildung 4A, 5). Er ist das wichtigste Kontrollzentrum für biologische Grundfunktionen wie Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, Schlaf- und Wachzustand, Temperatur- und Kreislaufregulation, Angriffs- und Verteidigungsverhalten und Sexualverhalten. Deshalb ist er auch der Entstehungsort der damit verbundenen Trieb- und Affektzustände. In Entsprechung dieser lebens- und überlebenswichtigen Funktionen ist der Hypothalamus mit nahezu allen verhaltensrelevanten Teilen des übrigen Gehirns verbunden, besonders mit der Hypophyse, dem zentralen Höhlengrau im Mittelhirn und den vegetativen Zentren des Hirnstamms, die ihrerseits mit dem so genannten peripheren Nervensystem eng verknüpft sind. Hypophyse und peripheres Nervensystem wiederum innervieren und beeinflussen unsere Organe und deren Funktionen, und sie werden umgekehrt auch von ihnen beeinflusst. Vor allem auf diese Weise kommt die enge Verbindung von Körper und Gehirn zustande, die wir bei starken Affekten empfinden: Wir erleben große Furcht, das Herz schlägt uns ihm Halse und wir atmen schneller. Umgekehrt können ein krankhaftes schnelleres Schlagen des Herzen oder eine Atemnot in uns Angst und Panik erzeugen. Die Arbeitsweise der Hypophyse und des peripheren Nervensystems spielen bei Stress und Stressbewältigung eine wichtige Rolle – hier ist der Körper elementar beteiligt, auch wenn Stress bekanntlich »im Kopf« entsteht.
    Das unbewusste Entstehen von Emotionen im engeren Sinne ist vornehmlich Sache der Amygdala und des mesolimbischen Systems . Die Amygdala , der »Mandelkern«, findet sich am inneren unteren Rand des Temporallappens (vgl. Abbildung 4 A). Sie nimmt bei Tieren und beim Menschen eine zentrale Rolle beim Entstehen von überwiegend negativen oder stark bewegenden Emotionen und beim emotionalen Lernen ein; sie wird deshalb als Zentrum der furcht- und angstgeleiteten Verhaltensbewertung angesehen. Verletzungen und Erkrankungen der Amygdala führen zum Fortfall der Furcht- oder Angstkomponente von Geschehnissen, d. h. Menschen ohne Amygdala gehen offensichtlichen Gefahrensituationen nicht aus dem Weg, auch wenn sie diese rein kognitiv als solche erkennen. Die Amygdala besteht aus vielen verschiedenen Teilen, zum Beispiel aus der cortico-medialen Amygdala, die mit der Verarbeitung geruchlicher Informationen einschließlich sozial wirkender Gerüche ( Pheromone genannt) zu tun hat, der zentralen Amygdala, die bei Affekten und Stress eng mit dem Hypothalamus zusammenarbeitet, und dem großen Komplex der basolateralen Amygdala, die mit komplexer emotionaler Konditionierung zu tun hat. Davon werden wir in Kapitel 6 mehr hören.
     
    Ein Gegenspieler der Amygdala, zumindest was Furcht, Angst und Stress betrifft, ist das mesolimbische System . Dieses System besteht vornehmlich aus dem ventralen tegmentalen Areal (VTA) und der Substantia nigra, die sich beide im Mittelhirnboden befinden, und dem Nucleus accumbens, der einen Teil des Striato-Pallidum im Endhirn bildet (vgl. Abb. 5). Das mesolimbische System hat drei Funktionen. Zum einen stellt es das Belohnungssystem des Gehirns dar, denn hier werden Stoffe (hirneigene Opiate) besonders wirksam, die zu positiven Empfindungen bis hin zu Euphorie und Ekstase führen. Zum zweiten ist es das System, das positive Konsequenzen von Ereignissen oder unseres Handelns registriert und dies zur Grundlage der dritten Funktion macht, nämlich uns anzutreiben, zu motivieren , damit wir dasjenige wiederholen, das zuvor zu einem positiven Zustand geführt hat. Dies geschieht über die Ausschüttung des Botenstoffs Dopamin. Wie all dies genauer passiert, werden wir im 11. Kapitel erfahren.
    Hypothalamus, zentrales Höhlengrau, Amygdala und mesolimbisches System sind die Hauptproduzenten von Affekten und negativen und positiven Gefühlen, von psychischen Antrieben, d. h. Motiven. Diese entstehen unbewusst, und wir erleben sie bewusst dadurch, dass diese Zentren Nervenzellfortsätze in die Großhirnrinde schicken und hierüber hinreichend erregen. Ähnlich wie Wahrnehmungen, die unbewusst bleiben, wenn sie die assoziativen Areale der Großhirnrinde nicht lange und intensiv genug erregen, können auch Gefühle unbewusst bleiben, wenn Hypothalamus, zentrales Höhlengrau, Amygdala und mesolimbisches System die Großhirnrinde

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