Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
unterschiedlichen Konsequenzen werden von unserem Gehirn bewusst oder unbewusst registriert und fest verbunden mit den Ereignissen oder Handlungen in unserem Erfahrungsgedächtnis abgespeichert. Dieser Prozess beginnt schon vor der Geburt und setzt sich das ganze Leben hindurch fort. Um den sich dabei anhäufenden ungeheuren Vorrat an Erfahrung schnell zugänglich zu machen, versieht das Gehirn die unterschiedlichen Konsequenzen und Erfahrungen mit emotionalen »Etiketten« oder »Markern«, wie dies der amerikanische Hirnforscher Antonio Damasio ausgedrückt hat (Damasio, 1994). Wann immer wir in eine Situation kommen, die das Gehirn als »bekannt« oder zumindest als »ähnlich« einstuft, werden bestimmte Gefühle aufgerufen, die uns als eine Art von Kurzbotschaften des Erfahrungsgedächtnisses raten, was wir zu tun und zu lassen bzw. wovor wir uns in Acht zu nehmen haben.
Der Anblick einer runden, rot glühenden Scheibe auf dem Herd ist für ein kleines Kind erst einmal ein interessanter Gegenstand. Nachdem das Kind sie aber angefasst und sich gehörig die Finger verbrannt hat, wird dieser Gegenstand mit der Schmerzempfindung verbunden, und die heiße Herdplatte erhält das Etikett »schmerzhaft«. Immer wenn das Kind die glühende Herdplatte wieder sieht, wird diese Bewertung aufgerufen, und es hat bewusst oder unbewusst Furcht davor, mit der Herdplatte in Berührung zu kommen. Entsprechend geht es uns mit einem Menschen, mit dem wir ein- oder zweimal sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben – beim Wiedersehen haben wir sofort Furcht vor diesem Menschen oder zumindest unangenehme Gefühle, und oft fühlen wir im Voraus den Kummer. Die entsprechende Botschaft lautet: »Nimm dich in Acht« oder besser »verkrümele dich, ehe er dich sieht«. Umgekehrt wird der Anblick bestimmter Nahrungsmittel für uns sehr erfreulich, nachdem wir die Erfahrung gemacht haben, dass sie gut schmecken. Unser Gefühl sagt uns »Greif zu!«. Bestimmte Erfahrungen führen zu tiefer Niedergeschlagenheit, weil sie eine bestimmte negative Erfahrung noch weiter verstärken, oder sie führen zu Begeisterung. Emotionen leiten und bewegen uns – sie werden damit, wie wir hören werden, zur Grundlage von Motivation .
Lernen in Form von emotionaler Konditionierung gehört zu unserem täglichen Leben. Viele Dinge und Geschehnisse sind nicht unter allen Umständen und für alle Personen gleichermaßen positiv oder negativ, sondern das müssen wir durch individuelle lust- oder leidvolle Erfahrungen herausfinden. Nicht immer erzeugt eine Herdplatte schmerzhafte Verbrennungen (z. B. wenn sie kalt ist), nicht jeder unfreundlich aussehende Mensch ist tatsächlich unfreundlich, und nicht jeder freundlich aussehende Mensch meint es gut mit uns. Emotionale Konditionierungen bilden sich meist nicht aufgrund eines einmaligen Erlebnisses aus, sondern bestimmte negative oder positive Erfahrungen müssen wiederholt gemacht werden, um sich fest in unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis zu verankern. Allerdings geht diese Verankerung umso schneller vor sich, je stärker die emotionalen Begleitzustände oder Folgen von Ereignissen waren. Passiert etwas, das große Freude, große Lust, starken Schmerz oder große Furcht in uns auslöst, dann kann sich diese Kopplung schon beim ersten Mal unauslöschlich in uns einprägen. Bei negativen Erlebnissen wie grässlichen Unfällen, Vergewaltigung oder Todesangst nennt man dies psychische Traumatisierung .
Das limbische System als Entstehungsort der Gefühle
Wo entstehen und sitzen nun die Affekte und Gefühle? Erst einmal scheinen sie nichts mit dem Gehirn zu tun zu haben, sondern mit unserem Körper . Uns hüpft das Herz vor Freude, wir haben vor einer unangenehmen Situation Magendrücken, uns zittern die Hände und schlottern die Knie vor Angst, uns platzt vor Wut der Kragen. Es ist schwer, diese körperlichen Zustände zu verbergen, wenn wir starke Gefühle haben. Natürlich können wir durch langes Training halbwegs einen Zustand des »Sich-in-der-Gewalt-Habens« erreichen, aber ganz wird uns dies wohl nicht gelingen. Vielmehr ist es so, dass mit den verminderten körperlichen Reaktionen auch die Gefühle schwinden. Der enge Zusammenhang zwischen Affekten bzw. Gefühlen und körperlichen Zuständen ist leicht einzusehen. Affekte und Gefühle sollen uns zu einem bestimmten Verhalten veranlassen, und zwar umso mehr, je stärker sie sind. Wir sollen von unserem Erfahrungsgedächtnis gezwungen werden,
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