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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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etwas Bestimmtes zu tun oder zu lassen, zu kämpfen oder zu fliehen, Dinge anzupacken oder sie möglichst zu meiden.
    Entsprechend haben nahezu alle Religionen und Kulturen die Gefühle im Körper angesiedelt, meist im Herzen oder im Bauch, denn dort ist bei Affekten und starken Gefühlen am meisten los. Im Exkurs 2 haben wir im Zusammenhang mit der Lehre des griechischen Philosophen Platon schon davon gehört. Das alles ist jedoch ein Irrtum, wenngleich ein verständlicher, denn wir werden dabei von unserem Gehirn fundamental getäuscht. Gefühle entstehen ausschließlich im Gehirn, allerdings erst einmal unbewusst in Zentren des limbischen Systems. Sie werden uns dann bewusst, wenn Signale von diesen limbischen Zentren in die Großhirnrinde dringen. Die Großhirnrinde ist wie dargestellt der Sitz des Bewusstseins, und alles, was nicht in der Großhirnrinde geschieht, ist prinzipiell unbewusst. Allerdings »projiziert« das Gehirn sozusagen die Empfindungen in den Körper »zurück«: Wir erleben dann unangenehme Gefühle im Bauch, aber dies geschieht im Bauch des Körperschemas im Gehirn , nicht im richtigen Körper. Es ist der vom Gehirn konstruierte und im Gehirn befindliche »Körper«, der weh tut – Schmerz ist immer ein Gehirnkonstrukt!
    Die Amygdala und das mesolimbische System sind die Hauptorte der unbewussten emotionalen Konditionierung (vgl. LeDoux, 1998). Beide erhalten »auf kurzem Wege« Mitteilungen von den Sinnesorganen und den ihnen nachgeschalteten Verarbeitungszentren im Mittel- und Zwischenhirn. Vom Zwischenhirn (genauer vom dorsalen Thalamus) aus trennen sich die sensorischen Bahnen, von denen einige zur Amygdala und zum mesolimbischen System gehen (und zu anderen limbischen Zentren) und die anderen zu den sensorischen und anschließend zu den assoziativen Arealen der Großhirnrinde. Die ersteren Bahnen sind schneller, aber die dabei mitgeteilte Information ist gröber in der Auflösung. Als Folge davon nehmen Amygdala und mesolimbisches System die Ereignisse früher, aber schemenhafter wahr, während die Großhirnrinde langsamer, aber mit feinerer Auflösung arbeitet. Dies erleben wir etwa, wenn wir die Finger von der Herdplatte schon weggezogen haben (eine unbewusste Reaktion), ehe es weh tut (eine bewusste Empfindung), oder wenn wir bei einem lauten Knall oder hellen Blitz zusammenzucken oder in Deckung gehen, ehe wir (über die Aktivität der Großhirnrinde) bewusst erleben, was eigentlich passiert ist.
    Diese Konditionierung stellt man sich so vor, dass die neuronale Repräsentation des Erlebnisses oder Objekts und eines bestimmten emotionalen Zustands (Furcht, Freude bzw. Lust) über spezielle synaptische Kontakte so eng miteinander verbunden werden, dass sie regelmäßig zusammen auftreten. Manchmal, wenn ein Objekt oder ein Ereignis mit einem sehr starken emotionalen Erleben verbunden ist, kann eine feste »Assoziation« von Reiz und Emotion sofort erfolgen, aber in aller Regel bedarf es mehrerer solcher Erfahrungen, bis diese synaptische Paarung stabil wird. Diese Stabilität kann so groß werden, dass spätere gegenteilige Erfahrungen daran gar nichts oder nur über sehr lange Zeit hinweg etwas korrigieren.
    Dies kennen wir nur zu gut: Wenn wir mit einem Menschen oder einem Hund erst einmal schlechte Erfahrungen gemacht haben, dann ist es sehr schwer, durch eine Reihe von positiven Erfahrungen davon loszukommen. Auch wenn wir auf der Bewusstseinsebene gar keine Angst mehr vor dem Nachbarhund haben, der uns einmal gebissen hat, so wird uns ein genau beobachtender Psychologe nachweisen können, dass wir zögern, wenn wir auf ihn zugehen – jedenfalls zögern wir länger als vor der negativen Erfahrung. Im Alltag spielen solche Konditionierungen eine große Rolle und bringen uns oft dazu, Dinge zu tun oder zu lassen, ohne dass wir eigentlich wissen, warum. Ein wichtiger Grund hierfür ist, dass frühe oder mehrfach wiederholte positive und insbesondere negative Erfahrungen sich unbewusst auf der Ebene des mesolimbischen Systems und der Amygdala auf synaptischer Ebene so hartnäckig miteinander verbinden, dass es schwer oder gar unmöglich wird, diese Verbindungen später wieder zu lösen (»die Amygdala vergisst nicht!«, hatten wir gehört).
    Viele dieser emotionalen Konditionierungen passieren also in einer Weise, die uns nicht ganz oder erst nachträglich bewusst ist. Zum Teil finden sie in einer Zeit statt, in der wir noch gar kein oder kein erinnerungsfähiges Bewusstsein haben,

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