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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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Substanz-P oder dem Vasoaktiven Intestinalen Peptid, die Unwohlsein, Schmerz, Furcht oder gar Panik und damit stark aversive Gefühle erzeugen (vgl. Kapitel 11). Die nachhaltige Kopplung der Ausschüttung dieser »negativen« Stoffe mit bestimmten Ereignissen ist es, was uns emotional konditioniert. In dem Maße, in dem diese Informationen und die genannten Stoffe in die Großhirnrinde gelangen, erleben wir all dies bewusst. Sie werden dadurch zu warnenden Ausrufungszeichen für unsere Entscheidungen und Handlungen. Eine wichtige Rolle negativer, schmerzhafter Erfahrungen – seien diese körperlich oder rein psychisch – spielen auch der insuläre, der anteriore cinguläre und der ventromediale Cortex. Sie fügen dem, was die Amygdala meldet, die Erlebniskomponente und über die Interaktion mit dem Hippocampus die Details und den Kontext hinzu.
    Das Positive, Freud- und Lustvolle in unserem Leben wird von anderen Hirnzentren und dort produzierten Stoffen erzeugt. Zum einen handelt es sich um den Neurotransmitter bzw. Neuromodulator Serotonin, der in den Raphe-Kernen in der Brücke produziert wird und uns vornehmlich beruhigt (»alles ist gut – niemand bedroht dich!«) und uns auf diese Weise das ruhige Glück und die stille Zufriedenheit bringt. Ein höheres Maß an Lust und Freude bis hin zu Euphorie und Rausch bereiten uns die endogenen Opiate und andere Stoffe, von denen wir noch hören werden. Sie werden in limbischen Zentren produziert und wirken überall dort ein, wo es entsprechende »Andockstellen« (so genannte Rezeptoren) gibt. Dies sind vor allem die limbischen Zentren selbst, zum Beispiel der Nucleus accumbens, aber auch der limbische Cortex.
    Die Ausschüttung dieser »Belohnungsstoffe« ist es, was Tiere (zumindest Säugetiere) und der Mensch (bekanntlich auch ein Säugetier) anstreben. Alles, was in unserem Leben Spaß macht, Freude und Lust bereitet, belohnend wirkt, muss mit der Ausschüttung dieser Stoffe verbunden sein. Dies ist bei Sex und Alkohol so, die ziemlich direkt auf die genannten limbischen Zentren wirken, aber auch bei den feineren Genüssen, seien dies der Anblick eines schönen Menschen, das Wiedersehen mit einer geliebten Person, ein großer Kunstgenuss, das Gewinnen eines Wettbewerbs, die Verleihung einer Auszeichnung, ein großer Wahlsieg oder – wie bei Mutter Teresa – einfach das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Dass dies so ist, sehen wir an Patienten, bei denen die Ausschüttung dieser Belohnungsstoffe vermindert ist oder gar nicht mehr stattfindet. Sie haben keinen Spaß mehr am Leben und können keine Ziele mehr erkennen, für die es sich abzurackern lohnt. Dies nennt man »Anhedonie«, was so viel heißt wie anhaltende Unlust.
    Im Gehirn sind zahlreiche Zentren am Registrieren von Belohnung beteiligt, vornehmlich das ventrale tegmentale Areal und damit eng verbundene Zentren, nämlich das dorsale und ventrale Striatum bzw. der Nucleus accumbens, aber auch der anteriore cinguläre und der orbitofrontale Cortex, dessen ursprüngliche Funktion offenbar die Bewertung des Geschmacks und Geruchs von Nahrung war. In diesen Zentren können, wie dies die Forschergruppe um den deutsch-schweizerischen Neurophysiologen Wolfram Schultz in jahrelangen Untersuchungen nachgewiesen hat (Schultz, 1998; Fiorillo et al., 2003; Tobler et al., 2005) beim Makakenaffen Neurone registriert werden, die »feuern«, wenn es irgendeine Art von Belohnung für eine Tätigkeit gibt (z. B. einen kleinen Schluck Orangensaft für das Betätigen eines Hebels). Solche Neurone feuern umso stärker, je größer die Belohnung ist, und deshalb spricht man auch von »Belohnungs-Neuronen«. Untersuchungen mithilfe der funktionellen Kernspintomographie zeigen, dass dies im menschlichen Gehirn genauso ist. Ebenso gibt es in den genannten Zentren Neurone, die reagieren, wenn eine Tätigkeit, für die der Affe (und Mensch) eine Belohnung erwartete, nicht belohnt wurde, und deshalb wurden sie »Enttäuschungs-Neurone« genannt. Einige Forscher haben gefunden, dass bei ausbleibender Belohnung und damit verbundener Enttäuschung auch die Amygdala und der insuläre Cortex aktiviert werden, die u. a. mit Schmerzwahrnehmung befasst sind, während andere Forscher dies nicht bestätigen konnten. Wie dem auch sei, die Aktivität der Belohnungsneurone ebenso wie der Enttäuschungs-Neurone bildet die Grundlage des Belohnungsgedächtnisses .
    Dieses Belohnungsgedächtnis bildet wiederum die Grundlage der

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