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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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(Kerns et al., 2004; Brown und Braver, 2005).
    Ein interessanter Aspekt ist der Unterschied zwischen Risiko und Ungewissheit beim Gewinn-Verlust-Spiel. Man kann nämlich einerseits sagen »ich weiß, dass ich ein hohes Risiko eingehe, aber ich tue es trotzdem«, oder aber man sagt »ich habe keine Ahnung, welches Risiko damit verbunden ist«. Aus Verhaltensuntersuchungen ist bekannt, dass Versuchspersonen durchaus bereit sind, ein relativ hohes Risiko einzugehen, wenn die Gewinnerwartung entsprechend hoch ist; eine völlige Ungewissheit über das Risiko wird hingegen oft vermieden. Dies spiegelte sich auch im Gehirn der Versuchspersonen wider, die mit unterschiedlichen Stufen von Risiko und Ungewissheit konfrontiert waren. Bei steigender Ungewissheit stieg die Aktivität von Amygdala und orbitofrontalem Cortex an, und gleichzeitig nahm die Aktivität des Striatum ab, während eine Erhöhung der Belohnungserwartung das Striatum zunehmend aktivierte (Hsu et al., 2005). Auch konnte kürzlich durch Kernspinuntersuchungen die aus der Alltagspsychologie bekannte Tatsache bestätigt werden, dass Verluste mehr weh tun, als Gewinne erfreuen: Tom und Mitarbeiter (2007) fanden, dass das dorsale und ventrale Striatum, der anteriore cinguläre, ventromediale und orbitofrontale Cortex durch Verluste mehr gehemmt als durch Belohnungen aktiviert wurden. Diese Forscher fanden im Gegensatz zu Kollegen bei Verlusten keine Beteiligung der Amygdala oder des insulären Cortex – vielleicht waren die Verluste nicht real oder schmerzlich genug!
    Wie sieht es mit zeitlichen Unterschieden in der Belohnungserwartung aus? Das klassische Rational-Choice-Modell sagt voraus, dass eine bald eintretende Belohnung bevorzugt wird gegenüber einer späteren Belohnung mit gleichem oder sogar etwas höherem Betrag (10 Euro heute sind besser als 11 Euro morgen; dies nennt man den »Diskontierungs-Effekt« der Belohnung). Dies wurde auch bei Kernspinuntersuchungen gefunden: Sofortige Belohnungen aktivieren im Vergleich zu aufgeschobenen Belohnungen stärker das ventrale Striatum sowie den ventromedialen, orbitofrontalen und dorsolateralen präfrontalen Cortex (McClure et al., 2004). Anders sieht dies aus, wenn beide Belohnungsalternativen weiter in der Zukunft liegen. Wenn man 10 Euro in einem Jahr oder 11 Euro in einem Jahr plus einem Tag erhalten kann, dann entscheidet man sich für letztere Alternative, obwohl die Zeitdifferenz – zumindest absolut gesehen – dieselbe ist.
    Wir sehen also, dass es bereits auf der Ebene des subcorticalen limbischen Systems (ventrales tegmentales Areal, Nucleus accumbens, Amygdala) ein ausgefeiltes neuronales System gibt, das Belohnungen, deren Eintreffen oder Ausbleiben, ihre Höhe und die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens verarbeitet, und das alles funktioniert völlig unbewusst. Allerdings sind, wenn es komplizierter wird, Areale der Großhirnrinde bei Belohnung und Belohnungserwartung mit von der Partie. Dies betrifft zum einen den ventromedialen und anterioren cingulären Cortex, der für bewusste Risikoeinschätzung zuständig ist, und den insulären Cortex für das schmerzhafte Empfinden von Verlust und Unsicherheit, den dorsolateralen präfrontalen Cortex, der das »im Auge behalten« und rationale Abwägen der Belohnung bzw. des Belohnungsverhaltens vornimmt, und schließlich den orbitofrontalen Cortex, welcher der Ort des emotional-sozialen Abwägens der Belohnung bzw. des Belohnungsverhaltens ist.
    Dass Emotionen in Form des Erlebens von Fairness, Enttäuschungen oder Unsicherheitsvermeidung das menschliche Entscheidungsverhalten beeinflussen können, ist allen bekannt. Allerdings geht es dabei auch um »hoch moralische« Gesichtspunkte. Kürzlich veröffentlichte Kernspin-Untersuchungen konnten dies eindrucksvoll neurowissenschaftlich belegen. Eine schweizerisch-amerikanische Forschergruppe setzte an dem bereits erwähnten und aus Sicht der Rational-Choice-Theorie erstaunlichen Faktum an, dass im Ultimatum-Spiel viele Versuchspersonen bei einer Verteilungsquote von 4 :16 eher auf das Geld ganz verzichteten, als das »unfaire« Angebot zu akzeptieren und auf diese Weise zumindest etwas zu kriegen. Die Arbeitsgruppe konnte nun zeigen, dass der rechte dorsolaterale präfrontale Cortex (dlPFC) bei dieser »moralischen« Entscheidung eine wichtige Rolle spielt. Wenn nämlich die Forscher mithilfe der so genannten transkranialen Magnetstimulation den rechten dlPFC vorübergehend außer Kraft setzten (vgl.

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