Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
Vom Netzwerk:
sich – fast – alles kaufen, und dazu noch jeweils ganz unterschiedliche Dinge. Dies ist es offenbar, was Geld so besonders attraktiv macht.
    Allerdings ist auch hier die Aktivierung des Gehirns abhängig von der Belohnungserwartung , die sich aus der Höhe der in Aussicht gestellten Summe, der Gewinnwahrscheinlichkeit bzw. des Risikos, des Zeitpunkts der Belohnung und einer Reihe anderer psychologisch wichtiger Faktoren zusammensetzt. Natürlich sind in aller Regel die entsprechenden Zentren (ventrales tegmentales Areal, Nucleus accumbens/ventrales Striatum, dorsales Striatum, anteriorer cingulärer, ventromedialer und orbitofrontaler Cortex, gelegentlich auch insulärer Cortex) um so aktiver, je höher und je risikoreicher der in Aussicht gestellte finanzielle Gewinn ist. Jedoch gibt es dabei Überraschungen, die aber aus der Motivationspsychologie bekannt sind und den Vorhersagen der »Rational-Choice«-Theorie widersprechen. Dies ist besonders unter Bedingungen des so genannten »Ultimate Game« der Fall, das ein bei Neuro-Ökonomen beliebtes Untersuchungsparadigma ist.
    Hierbei geht es darum, dass die Versuchsperson, im Kernspingerät liegend, gegen einen tatsächlichen oder virtuellen zweiten Spieler spielt. Beide erhalten zusammen eine Summe von – sagen wir – 20 Euro, die in einem ersten Schritt vom Gegenspieler nach dessen Gutdünken zwischen beiden Partnern aufgeteilt wird. Die Versuchsperson muss nun entscheiden, ob sie die angebotene Aufteilung akzeptiert oder ablehnt. In letzterem Fall kriegen beide nichts. Natürlich ist die Sache bei einer Halbierung der Summe unproblematisch, und auch eine etwas unfaire 8:12-Aufteilung zu Ungunsten der Versuchsperson wird im Allgemeinen hingenommen. Eine krass unfaire 4:16-Aufteilung lehnen hingegen bis zu 80 % der Versuchspersonen ab, obwohl dann beide Seiten leer ausgehen. Das ist aus Sicht der »Rational-Choice«-Theorie natürlich völlig irrational, denn die Versuchsperson verzichtet freiwillig auf 4 Euro, nur weil sie sich unfair behandelt fühlt, anstatt sich ganz kühl und berechnend zu sagen, dass 4 Euro besser sind als nichts!
    Die Gehirne der unfair behandelten Versuchspersonen zeigten eine bilaterale, besonders aber rechtshemisphärische Aktivierung des vorderen insulären Cortex (zuständig für Enttäuschungen und psychische Schmerzen!), des anterioren cingulären Cortex (ebenfalls zuständig für Enttäuschungen und psychischen Schmerz, aber auch für Aufmerksamkeit) und des dorsolateralen präfrontalen Cortex. Dieser ist, wie wir bereits gehört haben, zwar nicht emotional erregbar, aber an der kognitiven Bewältigung und Planung komplexer Handlungssituationen (»was soll ich jetzt tun?«) beteiligt (Sanfey et al., 2003). Dies ist natürlich bei einer Entscheidung darüber, ob man das unfaire Angebot akzeptiert oder besser verzichtet, besonders gefordert. Eine andere Untersuchung zeigte eine höhere Aktivierung des dorsalen Striatum (Nucleus caudatus) bei der Versuchsperson, wenn der Gegenspieler großzügig war, und eine Aktivitätsreduktion, wenn er sich unfair verhielt (King-Casas et al., 2005). Besonders interessant ist die Tatsache, dass die Aktivierung der genannten Zentren besonders deutlich ausfiel, wenn es sich beim unfairen Gegenspieler um einen echten Menschen und nicht um einen Computer handelte!
    Weitere Untersuchungen mittels so genannter ereigniskorrelierter Signale (ERPs), die aus dem EEG herausgefiltert werden (s. Exkurs 1), und der funktionellen Kernspintomographie zeigen deutlich die Beteiligung des Frontalhirns beim Feststellen von Gewinn und Verlust und entsprechenden Erwartungen. So fällt eine »Negativierung« in der elektrischen Aktivität des medialen frontalen Cortex umso stärker aus, je schmerzlicher die Verluste beim Spielen sind, und Kernspin-Untersuchungen bestätigen die von anderen Forschern gefundene Beteiligung des medialen Frontalhirns an der emotionalen Reaktion auf Gewinn und Verlust, während der dorsolaterale präfrontale Cortex mit dem dort lokalisierten Arbeitsgedächtnis eher die Sache kognitiv-kühl »im Auge behält« (Gehring und Willoughby, 2002; Richmond et al., 2003). Nach neueren Untersuchungen liegt hier eine Arbeitsteilung zwischen medialem und lateralem Frontalhirn vor: Der ventromediale und der anteriore cinguläre Cortex stellen die Abweichungen von der Belohnungserwartung fest, und der dorsolaterale präfrontale Cortex gibt die Befehle, was zu tun sei, um diese Abweichungen zu beheben

Weitere Kostenlose Bücher