Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Exkurs 1), dann waren die Versuchspersonen deutlich eher bereit, eine unfaire Aufteilung zu akzeptieren, als wenn der dlPFC normal arbeitete. Bemerkenswerterweise war dies wiederum stärker ausgeprägt, wenn es sich beim Bieter um einen realen Menschen und nicht um einen Computer handelte (Knoch et al., 2006).
Die Forscher interpretieren ihre Befunde dahingehend, dass der rechte dlPFC über die moralischen Regeln wacht und einen direkten oder indirekten Einfluss auf »niedere Triebe« wie Geldgier ausübt. Dieser zügelnde Einfluss fiel bei der Hemmung des rechten dlPFC fort, insbesondere wenn es sich um einen Menschen handelte, der sich unfair verhielt, und man wurde »geldgieriger«. Einem Computer hingegen nahm das Gehirn der Versuchspersonen offenbar nicht so übel, wenn er sich »unfair« verhielt. Interessanterweise trat der Effekt bei einer Hemmung des linken dlPFC nicht auf. Umgekehrt konnten die Versuchspersonen mithilfe dieses linken dlPFC durchaus die mangelnde Fairness der Aufteilung registrieren, aber sie handelten nicht danach, wenn der rechte dlPFC gehemmt war. Der linke dorsolaterale präfrontale Cortex ist – wie im »Vier-Schichten-Modell« (Kapitel 4, S. 90) dargestellt – mit der »nüchternen Bestandsaufnahme« einer Situation befasst, hat aber keinen direkten Einfluss auf die Verhaltenssteuerung.
Vernünftige Risikoabschätzungen führen nicht immer zu höheren Gewinnen! Zu diesem Ergebnis, das ebenfalls dem Rational-Choice-Modell widerspricht, gelangten kürzlich Forscher (Shiv et al., 2005), indem sie zeigen konnten, dass Patienten mit Schädigungen in der Amygdala, im orbitofrontalen Cortex und im rechten insulären Cortex eher bereit waren, bei Spielen mit Investitionsentscheidungen höhere Risiken einzugehen und gegebenenfalls auch mehr zu gewinnen als Patienten mit Schäden in nichtlimbischen Arealen oder gesunde Versuchspersonen. Die Warnung dieser limbischen Areale vor zu hohen Risiken oder vor zu großem Bedürfnis nach Fairness fällt weg, und ein solches »krankes Hirn« kann sich offenbar recht gewinnbringend verhalten.
KAPITEL 7
Was uns Handlungspsychologie und Neurobiologie über die Steuerung von Willenshandlungen sagen
Wir haben uns im vorletzten Kapitel damit beschäftigt, welche Aussagen Entscheidungstheoretiker und Psychologen über die Frage machen, nach welchen Prinzipien Entscheidungen getroffen werden oder zumindest getroffen werden sollten, nämlich bewusst-rational, nach einfachen Heuristiken oder intuitiv. Wir haben gehört, welche Teile des Gehirns bei solchen Entscheidungen aktiv sind. Diese Hirnaktivitäten sollen eine Person in die Lage versetzen, möglichst angemessen auf ein bestimmtes Problem oder eine bestimmte Problemlage zu reagieren, also richtig zu handeln . Im Folgenden geht es um die Steuerung von Handlungen, genauer um Willens- oder Willkürhandlungen. Solche Handlungen können die Ausbildung eines expliziten Willens und eines »Willensrucks« beinhalten, müssen dies aber nicht. Vielmehr werden sie definiert als Handlungen, für die Alternativen bestehen. Beim Menschen sind sie immer mit dem Gefühl der Selbstverursachung verbunden.
Nicht in allen Fällen handelt es sich bei dem, was ich tue, um Willenshandlungen. Unser Körper kann mithilfe des Nervensystems reflexartig reagieren, zum Beispiel wenn wir bei einem lauten Knall zusammenzucken oder bei einem großen, sich schnell nähernden Objekt Abwehrbewegungen machen. Die Reflexe treten auf, bevor uns die Situation überhaupt bewusst wird, und deshalb können wir sie willentlich nicht unterdrücken. Im zweiten Fall handelt es sich um äußeren Zwang , beispielsweise, wenn wir stolpern oder von einer Sturmböe plötzlich fortgefegt werden. Diese Ereignisse sind »stärker als wir«. Man wird in diesen Fällen meist gar nicht von Handlungen, sondern von Reaktionen sprechen. Im dritten Fall schließlich handelt es sich um innere Zwänge . Diese können in natürlichen körperlichen Zwängen bestehen, z. B. in großem Hunger oder großem Durst, in überwältigender Müdigkeit oder einfach im Nachlassen unserer Kräfte beim Sport. Es kann sich aber auch um psychische Zwänge handeln, z. B. um den Zwang, sich alle fünf Minuten die Hände zu waschen, alle möglichen Dinge zu zählen, nicht auf Linien zu treten, um zwanghafte Gedanken und Antriebe oder um Tics wie ständig mit den Augen zwinkern oder sich unaufhörlich am Ohr kratzen, aber auch um Alkohol-, Nikotin- oder Drogensucht.
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