Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
sie laufen in eine bestimmte Richtung ab, wenn wir nicht bewusst etwas anderes wollen, weil sie automatisiert sind. Natürlich gibt es zwischen beiden Extremen beliebige Übergänge: Bestimmte Handlungen sind bereits hoch automatisiert und wir müssen nur entscheiden, wann wir sie beginnen und beenden wollen.
Unsere Handlungen gehen, sofern sie nicht äußeren oder inneren Zwängen unterliegen oder reine Reflexe darstellen, immer aus Entscheidungen hervor, denn jede Handlung hat ihre Alternativen, und sei es auch die Entscheidung zwischen Tun und Nichttun. Diese Entscheidungen können bewusst oder unbewusst getroffen werden, sie können eher von Gefühlen oder eher von Überlegungen geleitet sein, und sie können schnell und spontan oder nach einer gewissen Zeit des Abwägens oder Abwartens erfolgen. Zwischen den jeweiligen Polen gibt es fließende Übergänge von schnellen und ohne jedes Nachdenken erfolgenden Entscheidungen bis hin zu Entscheidungen, zu denen man sich qualvoll durchringen muss.
Das Rubikon-Modell der Handlungspsychologen
Das vielleicht bekannteste psychologische Modell der Entscheidung und Steuerung von Willenshandlungen stammt von den Psychologen Heckhausen und Gollwitzer (1986). Es geht von vier Ablaufphasen aus: einer Phase des Abwägens, des Planens, des Handelns und des Bewertens, die jeweils durch deutliche Übergänge voneinander getrennt sind. In der Phase des Abwägens erlebt die Person bestimmte Wünsche (»Zielintentionen«) und setzt sich mit ihnen und ihrer Realisierung auseinander. Einige Wünsche sind vollkommen unerfüllbar wie »Ich möchte der Kaiser von China sein!« oder »Ich möchte in die Zukunft sehen können«; andere sind im Prinzip erfüllbar, aber nicht unter den gegebenen Umständen (»Ich möchte jetzt auf den Bahamas sein!«), und wieder andere sind jetzt erfüllbar, aber befinden sich in Konkurrenz mit anderen Wünschen (»Ich möchte jetzt Klavier spielen, muss aber ein Gutachten fertig stellen!«). Ich muss mir also über die prinzipielle oder faktische Erfüllbarkeit meiner Wünsche in Abhängigkeit von meinen Möglichkeiten klar werden und mich dann unter den faktisch erfüllbaren Wünschen für die Realisierung eines (oder keines) Wunsches entscheiden.
Eine solche Entscheidung leitet die Planungsphase ein und ist der »Schritt über den Rubikon« (Cäsar entschied sich, den Marsch auf Rom und damit den Staatsstreich zu wagen, und überschritt dabei mit seinen Truppen das Flüsschen Rubikon, welches die »Sperrzone« für das Militär markierte). Nachdem nämlich entschieden ist, was getan werden soll, geht es nun darum, wie man die Tat verwirklicht. Das mag einfach sein (»Ich will jetzt das Glas Wasser vor mir trinken!«) oder kompliziert (»Ich will Bundeskanzler werden!«). Wichtig ist dabei die Konzentration auf das Ziel und die damit verbundene Abschirmung der Handlungsintention von konkurrierenden Wünschen und Motiven. Diese müssen konsequent beiseite gedrängt werden (»Bei der Sache bleiben!«), und auf keinen Fall darf man in die Abwägephase zurückkehren – oder doch?
Hier hat der Wille seinen großen Auftritt: Der Wille ist der psychische Aufwand, der betrieben werden muss, um alternative Wünsche und Ziele zu verdrängen. Ich muss unbedingt noch vor dem Abendessen einen Artikel fertig schreiben, aber gleichzeitig bin ich sehr hungrig. Ich bin vom schwierigen Aufstieg erschöpft, aber ich muss den Gipfel noch schaffen! Willensstarke Menschen zeichnen sich durch die Fähigkeit dieses Abschirmens aus bis hin zum fanatischen Verfolgen eines bestimmten Zieles. Willensschwache Menschen sind hingegen unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie sich leicht ablenken lassen und das Ziel aus dem Auge verlieren. Nachdem nun klar ist, wann, wo und wie der Plan realisiert werden soll, muss man auch zur Tat schreiten. Jetzt gibt es den berühmten Willensruck , das »fiat!« (lateinisch »es geschehe!«), welcher dem Handlungsbeginn unmittelbar vorhergeht.
Mit dem Beginn der Handlungsphase ist die Sache aber noch nicht gelaufen, sondern es geht jetzt darum, dass das Ziel nicht aus dem Auge verloren wird. Außerdem läuft nicht immer alles genau nach Plan, sondern man muss das Handeln wechselnden Umständen anpassen, Umwege gehen, kleine Änderungen vornehmen usw. Und man muss sich gegen Schwierigkeiten wappnen, darf nicht die Geduld und die Lust verlieren. Allerdings: Je größer die Schwierigkeiten werden, desto lauter wird die Frage, ob man nicht
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