Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
zielgerichteter Bewegungen zuständig ist (vgl. Abbildung 2, S. 39). Diese beiden Cortexbereiche aktivieren ihrerseits einen relativ kleinen Teil des hinteren Stirnhirns mit dem komplizierten Namen prä-supplementärmotorisches Areal , kurz prä-SMA genannt (vgl. Abbildung 3, S. 40). Dieses Areal ist immer beteiligt, wenn wir etwas bewusst wollen, und es ist interessanterweise auch dann aktiv, wenn wir uns nur vorstellen , wir würden etwas tun, und sogar wenn wir jemandem bei bestimmten anstrengenden Handlungen zusehen . Nicht zufällig haben einige Forscher und Philosophen wie der bekannte Neurophysiologe und Neurophilosoph John Eccles das prä-SMA für den Sitz des freien Willens gehalten (Eccles, 1994).
Ist eine Handlungsabsicht zum konkreten Willensentschluss gereift, dann werden die entsprechenden Informationen zu den motorischen Arealen der Großhirnrinde im hinteren Stirnhirn geschickt, die nun genauer bestimmen, welche einzelnen Bewegungen für die Handlung nötig sind und wie unser Bewegungsapparat in Gang gesetzt werden muss. Dabei handelt es sich um den primären und den sekundären motorischen Cortex (vgl. Abbildung 2, S. 39). Im letzteren Areal werden die gröberen Bewegungsabläufe festgelegt, im ersteren die dafür notwendigen Aktivitäten einzelner Muskeln und kleiner Muskelgruppen. Diese Umsetzung des Handlungswillens in konkrete Bewegungsabläufe entzieht sich schon weitgehend unserem Bewusstsein, und wir erleben nur, dass wir dasjenige tun , was wir soeben konkret gewollt haben. Es kommt uns dabei vor, als triebe unser Wille unseren Körper, z. B. unsere Hand direkt an, während wir die extrem komplexe Umsetzung des Willens in Bewegung, an dem in der Regel Hunderte von Muskeln und Muskelgruppen beteiligt sind, nicht bewusst wahrnehmen. Die genannten motorischen Areale der Großhirnrinde aktivieren zum einen direkt über große Nervenfaserbündel, die zusammen die so genannte Pyramidenbahn bilden, Abschnitte in unserem Rückenmark, die ihrerseits die Muskeln ansteuern.
Gleichzeitig müssen sie sich mit vielen anderen Hirnzentren außerhalb der Großhirnrinde koordinieren, die zwar völlig unbewusst arbeiten, ohne die wir aber nicht einmal einen Finger krümmen könnten. Von diesen vielen beteiligten Zentren will ich hier nur zwei nennen, nämlich das Kleinhirn und die Basalganglien. Das Kleinhirn ( Cerebellum ) ist – anders als sein Name erwarten lässt – beim Menschen ziemlich groß und enthält etwa ebenso viele Nervenzellen wie das übrige Gehirn, nämlich rund 30 Milliarden. Das Kleinhirn greift feinregulierend in die Handlungs- und Bewegungsabläufe ein, die von den Basalganglien im Zusammenwirken mit der Großhirnrinde gesteuert werden.
Wie Abbildungen 4 und 10 zeigen, setzen sich die Basalganglien aus sehr unterschiedlichen Hirnzentren zusammen, nämlich aus dem Striatum (bestehend aus Putamen und Nucleus caudatus ), dem Pallidum internum und externum, dem Nucleus subthalamicus und der Substantia nigra . Letztere besteht aus einem dichtgepackten ( pars compacta ) und einem lose gepackten Teil ( pars reticulata ). Über die Funktion der Basalganglien ist lange Zeit gerätselt worden. Man nahm an, dass dort Reflexe, Instinkthandlungen und andere Automatismen gespeichert sind, was auch nicht ganz falsch ist. Heute weiß man jedoch, dass die Basalganglien generell an allen Handlungen und Bewegungen beteiligt sind, insbesondere auch an denjenigen, die mit bewusster Planung und bewusstem Willen zu tun haben, also »von innen heraus« angetrieben werden. Man schließt dies vornehmlich aus der Tatsache, dass bei Patienten, die unter der Parkinsonschen Erkrankung leiden, gerade diejenigen Handlungen beeinträchtigt sind, die noch nicht automatisiert sind und deshalb eine Willensanstrengung benötigen. Bei diesen Patienten ist ein bestimmter Mechanismus der Basalganglien betroffen, über den noch zu reden sein wird.
Die Basalganglien sind nach inzwischen verbreiteter Anschauung eine Art Handlungsgedächtnis , in dem alle Bewegungsmuster niedergelegt sind, die sich irgendwann einmal als erfolgreich erwiesen haben. Dieses Erfahrungssammeln beginnt bereits vor der Geburt, denn die Basalganglien gehören zu den Hirnstrukturen, die sich weit vor der Geburt entwickeln, und dieses Sammeln erfolgt ein Leben lang. Alles, was wir an Bewegungen ausführen, insbesondere wenn es neu und ungewohnt ist, muss mit diesem Handlungsgedächtnis abgeglichen werden. Das ist am Anfang schwierig, und deshalb laufen
Weitere Kostenlose Bücher