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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Roth
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doch besser aufhören sollte. Willensstarke Personen halten länger durch, auch wenn die Schwierigkeiten sehr groß werden, aber ab einem gewissen Punkt kann das Weitermachen unsinnig werden. Nur gibt es meist keine Gewissheit darüber, wann dieser Punkt erreicht ist! Viele der größten Taten der Menschheit sind erst im Nachhinein groß und erschienen den Beteiligten als Wahnsinnstaten (man denke an Kolumbus’ oder Magellans Durchhalten gegen jeden Widerstand von Mensch und Natur und auch gegen jede Vernunft). In der Bewertungsphase schließlich wird beurteilt, ob und in welchem Maße man das erreicht hat, was man wollte, und worauf der Erfolg bzw. Misserfolg zurückzuführen ist – ob auf die eigenen Kräfte bzw. deren Versagen, auf fremdes Zutun oder auf puren Zufall.
    Selbstverständlich beschreibt das Rubikon-Modell nur den idealtypischen Ablauf einer Willenshandlung. In den meisten Fällen von Willenshandlungen gibt es, wie wir eingangs festgestellt haben, keine explizite Phase des Abwägens oder des Planens. Ich bin durstig und greife nach dem Glas Wasser vor mir, und dabei gehen das Realisieren des Wunsches (Trinken!), das Konkretwerden des Plans (Nach dem Glas Wasser greifen!) und das Ausführen unmittelbar ineinander über. Nichtsdestoweniger habe ich das Gefühl, eine Willenshandlung ausgeführt zu haben, denn auf die Frage, ob ich das, was ich getan habe, auch wollte, werde ich »ja« sagen! Es gibt also Willenshandlungen ohne expliziten Willensakt, und es gibt natürlich auch das Steckenbleiben des Willenshandlungs-Ablaufs vor der Realisierung. Aus irgendeinem Grund tue ich doch nicht, was ich tun wollte . Dies wiederum heißt, dass der konkrete Willensentschluss nicht automatisch zu einer Realisierung führt.
    Das Rubikon-Modell hat neben der soeben genannten eingeschränkten Gültigkeit auch noch einen anderen Nachteil, indem es suggeriert, das Ganze sei eine klare Abfolge von vier Phasen mit charakteristischen Übergängen. Dem entspricht die traditionelle Vorstellung eines bewusst wünschenden, planenden, handelnden und reflektierenden Ich als Träger der Willenshandlung. Zwei grundsätzliche Bedenken stehen dieser Sicht aber entgegen. Erstens ist das Ich – anders, als es uns scheint – kein Akteur, sondern ein bestimmter Bewusstseinszustand. Es gibt unterschiedliche Bewusstseinsinhalte, und einige davon, zum Beispiel Handlungsziele, verbinden sich mit dem Bewusstseinsinhalt »Ich tue gerade das und das«. Das Ich ist hierbei eine – allerdings wichtige – »Markierung« für das autobiographische Gedächtnis, aber keine kontrollierende oder handelnde Instanz, auch wenn wir dies ganz deutlich so empfinden. Vielmehr markiert dieses Empfinden, dass der bewusstseinsfähige Cortex wesentlich an dem Vorgang beteiligt war, und zwar im Gegensatz zu rein subcortical gesteuerten Prozessen. Zweitens kommen in dem Rubikon-Modell die unbewussten Anteile der Willenshandlung gar nicht vor. Wie wir gleich sehen werden, spielen sie eine ganz wesentliche Rolle beim Auslösen und Ausführen von Willenshandlungen. Wir merken nur nichts davon direkt.

Was passiert im Gehirn bei Willenshandlungen?
     
    Wenn es um bewusste willentliche Handlungen geht, bei denen wir uns als Verursacher empfinden, sind erst einmal Bereiche unserer Großhirnrinde aktiv (allerdings nicht nur diese, wie wir sehen werden), und zwar eine ganze Anzahl von Bereichen. Wenn wir uns überlegen, was wir überhaupt tun wollen, wenn wir Alternativen abwägen und dann darüber nachdenken, wie wir das Geplante ausführen wollen, dann geht es vornehmlich um den dorsolateralen präfrontalen Cortex. Hier befindet sich das Arbeitsgedächtnis, und hier finden das Abwägen der Alternativen und das genaue Nachdenken über die Realisierungsmöglichkeiten des Plans statt. Dieses Arbeitsgedächtnis ist in seiner Kapazität notorisch beschränkt; wir erfahren ständig, dass wir nur wenige Dinge gleichzeitig im Bewusstsein bewegen können, und wir geraten sprichwörtlich ins Schwitzen, wenn wichtige Dinge komplex und auch noch eilig sind. Deshalb ist es gut, wenn wir auf Automatismen zurückgreifen können, die das Arbeitsgedächtnis als »Planungskommission« entlasten.
    Die genauere Planung des Ablaufs der Handlung und ihre Einordnung in unsere räumliche Umgebung erfordern neben dem dorsolateralen präfrontalen Cortex auch die Mitwirkung des hinteren Scheitellappens, des posterioren parietalen Cortex , der wie berichtet für die räumliche Orientierung

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