Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Vorrichtung ansehen, die über hemmende und erregende Mechanismen sehr abgestuft teils Gas geben und teils bremsen kann. Wenn nämlich ein Hemm-Mechanismus erregt wird, dann wird die Hemmung stärker. Wird dieser Hemm-Mechanismus aber selbst gehemmt , so reduziert sich die von ihm bewirkte Hemmung oder fällt ganz fort. Damit wird ein Grundproblem der Bewegungssteuerung durch das Gehirn gelöst, das darin besteht, dass man zu einem gegebenen Zeitpunkt mit denselben Gliedmaßen immer nur eine Art von Bewegung ausführen kann: Man kann nicht gleichzeitig hüpfen und gehen, nicht gleichzeitig mit derselben Hand nach der linken und der rechten Tasse greifen und nicht gleichzeitig zwei Melodien singen oder zwei Sätze sprechen. Übrigens kann man auch nicht zur selben Zeit zwei Gedanken haben. Das alles geht nur nacheinander. Es muss in einem bestimmten Handlungszusammenhang also jeweils genau eine Handlung freigeschaltet werden, und alle überhaupt möglichen anderen Handlungen müssen völlig unterdrückt werden. Gelegentlich, wenn wir unentschieden sind, machen wir Bewegungen in die eine oder andere Richtung, aber im Normalfall führen wir eine Bewegung aus und unterdrücken alle anderen. Genau dies machen die Basalganglien: Sie geben gezielt eine Bewegung frei und sorgen dafür, dass alle anderen gehemmt werden. Bei bestimmten Erkrankungen der Basalganglien geschieht genau dies nicht, und der Körper windet sich in Krämpfen, weil miteinander unvereinbare Motorprogramme gleichzeitig gestartet werden.
Bemerkenswert ist bei diesem Mechanismus ein besonderer Umstand. Wie geschildert, wirkt die »kompakte« Substantia nigra teils hemmend und teils erregend auf das Striatum ein. Dies geschieht dadurch, dass Dopamin ausgeschüttet wird und auf das Striatum auf zwei verschiedene Weisen einwirkt. Auf einen Typ von hemmenden Ausgangsbahnen des Striatum wirkt Dopamin nämlich über bestimmte »Andockstellen« (D1-Rezeptoren genannt) erregend und verstärkt so die Hemmungsfunktion der Bahnen, und es wirkt auf einen zweiten Typ von hemmenden Ausgangsbahnen (über so genannte D2-Rezeptoren) hemmend , reduziert also deren Hemmungsfunktion oder hebt sie ganz auf (vgl. Abbildung 10 S. 173). Damit kann genau das erreicht werden, was nötig ist, nämlich eine bestimmte Bewegung frei zu schalten, d. h. die Hemmung aufzuheben, und alle Alternativerregungen zu unterdrücken (deren Hemmung zu verstärken).
Die Bewegungslosigkeit von Parkinson-Patienten ist von der Tatsache verursacht, dass zu wenig Dopamin in der kompakten Substantia nigra hergestellt und ins Striatum ausgeschüttet wird, weil die Dopamin produzierenden Nervenzellen in der Substantia nigra überwiegend abgestorben sind. Bei den Patienten stehen also alle Bewegungen unter krankhafter Hemmung – es ist so, als seien in einem Auto das Gaspedal blockiert und die Bremse fest angezogen. Der Patient kann etwas noch so stark wollen, z. B. aufstehen oder nach der Kaffeetasse greifen – es geschieht nichts, weil ein kleiner, aber wichtiger Teil der Steuerungskette nicht funktioniert. Nimmt der Patient aber ein Medikament (L-Dopa genannt), das in seinem Gehirn vorübergehend diesen Dopaminmangel ausgleicht, so kann er sich plötzlich für einige Zeit mehr oder weniger normal bewegen (mit den Jahren nimmt leider die Wirksamkeit solcher Medikamente ab). Die Ausschüttung von Dopamin von der kompakten Substantia nigra in das Striatum ist also ein Freischaltungssignal, d. h. das Lockern der Bremse und das Gasgeben. Dies sorgt gleichzeitig dafür, dass alle Alternativbewegungen unterdrückt werden.
In diesem Sinne sind die Basalganglien nicht nur ein Handlungsgedächtnis, sondern auch eine wichtige Entscheidungsstation im Gehirn (vgl. Bogacz, 2007). Wir werden allerdings gleich sehen, dass bei diesen Entscheidungen noch weitere Zentren mitwirken.
Woher weiß das limbische System, was zu tun ist?
Es stellt sich nun die wichtige Frage, woher die kompakte Substantia nigra weiß, welche Bewegung oder Handlung sie durch ihr Dopamin-Signal im Striatum freischalten soll. Immerhin handelt es sich um ein vergleichsweise kleines Hirnzentrum, und dieses kann schließlich nicht allein wichtige Entscheidungen treffen – wenn man dies überhaupt so bezeichnen will. Hier hilft die Überlegung, dass es im Gehirn kein Zentrum gibt, das etwas tut, ohne wiederum von anderen Zentren beeinflusst zu sein. Im Gehirn beeinflussen sich letztendlich alle Zentren gegenseitig, wenngleich nicht in
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