Perth
sehen konnten, da wir zum Glück während der nachmittäglichen Besuchszeit gekommen waren. Er führte uns durch einen Gang nach draußen in einen großen, kalten Hof aus Beton, der mit zweieinhalb Meter hohen Mauern umgeben war. Das einzige Möbelstück in dem Hof war eine einzelne Holzbank. Dort, wo nie Sonnenstrahlen hinkamen, wuchsen grünes Moos und Algen auf dem Boden und den Wänden. Der Gestank von Hundeexkrementen war unerträglich. Dies war der Hochsicherheits-Besuchsbereich, in dem die Menschen ihre geliebten Tiere wiedersehen konnten. Es war kein Ort, an dem man sich gerne lange aufhielt, nicht einmal mit seinem Hund. Der Mann sagte uns später, dass die Besitzer ihre Tiere nicht häufig besuchten, wenn sie überhaupt kamen. An diesem Tag waren wir bisher die einzigen Besucher.
Wir wollten mit dem Mann mitgehen, um zu sehen, wo Perth war, aber er hielt uns zurück. »Die Regierungsvorschriften gestatten das nicht«, sagte er. Wir warteten, während er sie holte. Wir waren ausgesprochen verdrossen. Keiner von uns sagte etwas. Alles, was wir hätten sagen können, war in unseren Gesichtern abzulesen. Zehn Minuten später kam der Mann mit Perth an der Leine durch eine grüne Tür. Ohne Umschweife machte er die Leine von ihr los und verschwand.
Sie sah auf, erblickte uns und kam über den Hof zu der Bank, auf der wir saßen, geschossen. Sie heulte in heller Aufregung. Wie so oft, wenn sie aufgeregt war, sprang sie nicht sofort in unsere Arme, sondern rannte außer sich vor Freude einige Male im Kreis um uns herum und lief dann noch ein paar Mal im Hof hin und her. Danach konnten wir sie an diesem traurigen Ort zum ersten Mal in England in unsere Arme schließen. Ihr warmer, weicher Körper fühlte sich schön vertraut an. Überraschenderweise sah sie fit aus und roch sauber, sie hatte sogar etwas von dem Groggy-Hunde-Duft an sich.
»Liebes Hündchen«, murmelte Cindy in ihr Ohr. »Geht es dir gut? Behandeln sie dich ordentlich? Wir vermissen dich so sehr .« Ich massierte ihre Schultermuskeln und drückte ihren Kopf gegen meinen. Ihre Augen waren klar und vor Aufregung weit geöffnet; sie blickten uns verständnisvoll an. Nach einer Weile streckte Perth sich auf Cindys Schoß aus, glücklich, ihre Wärme und Fürsorge zu spüren. Wir erzählten ihr von unserem Cottage, von Bury , dem Garten und der wunderschönen Welt, die sich überall rund um die Stadt erstreckte. Wir redeten und redeten, und sie hörte zu.
»Es wird wunderbar sein, Hündchen, wenn wir alle zusammen in unserem Cottage sind«, sagte Cindy. »Du wirst es lieben. Es gibt haufenweise Kaninchen und viele Hügel zu erkunden. Wir müssen Geduld haben. Ehe du dich’s versiehst, werden wir lange, erfrischende Spaziergänge miteinander machen .« Wir gaben ihr ein paar Leckerlis zu fressen. Die Minuten vergingen, viele verbrachten wir schweigend, während wir gedankenverloren dasaßen.
Der Mann kam um vier Uhr wieder und forderte uns auf zu gehen. Perth gestattete ihm sie anzuleinen.
»Sei nicht verzweifelt, Perth, wir werden es gemeinsam durchstehen«, sagte ich mit Nachdruck, als der Mann sie ungeduldig an der Leine zog. »Friss dein Futter, und wenn sie dir die Gelegenheit geben, dich zu bewegen, renn wie wild herum. Halte dich fit !«
Wir drückten sie, und dann ging der Mann mit ihr durch die grüne Tür in Richtung der heulenden Kakophonie aus den Käfigen. Bevor sie außer Sichtweite war, drehte sie sich um und blickte uns ein letztes Mal an. Wir gingen, niedergeschlagen und erschöpft. Wir durften sie erst in einem Monat wieder besuchen.
Kapitel 13
U nsere düstere Stimmung hielt während der Fahrt zurück nach Bury an, aber zu Flause hatten wir viel zu tun und machten uns eifrig ans Werk. In den folgenden Tagen warfen die quälenden Gedanken an Perths Elend und den Monat der erzwungenen Trennung einen anhaltenden Schatten auf unser neues Domizil. Aber wir mussten uns umsehen und unser neues Leben beginnen. Wir lernten das Dorf und einige seiner Bewohner kennen und erkundeten die endlosen Pfade durch Wiesen und Hügel und am Fluss Arun entlang, der anmutig bei der Gemeindekirche vorbeifließt, die nach Johannes dem Täufer benannt ist. Es sprach sich herum, dass »Amerikaner« ins Dorf gezogen waren, und es dauerte nicht lange, bis einige der langjährigen Bewohner vorbeikamen, um Guten Tag zu sagen. Das Einzigartige an einem englischen Dorf ist, dass man, sobald man sich eingewöhnt hat, meinen könnte, man sei schon jahrelang da.
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