Pesch, Helmut W.
Hass auf Siggi und Gunhild beherrscht.
Er malte sich aus, wie er über die Geschwister triumphieren wür-de. Er, im Schutze der mächtigen Schwarzalben und deren König, der ihm helfen würde, wenn er es nur geschickt genug anstellte. Hagen musste ihm beweisen, dass er den Swart-alfar nicht feindlich ge-sonnen war, im Gegenteil! Alles würde er geben, um sich an dem verräterischen Pack zu rächen, das ihn um seinen Ring, seinen Schatz, betrogen hatte.
Vollends in seine Rachefantasien versunken, verlor Hagen jegliches Gefühl für Raum und Zeit auf den krummen Wegen, die er unter der Führung Mîms gehen musste. Er nahm nicht einmal wahr, dass immer mehr von dem dunklen Volk am Rande ihres Weges auftauchte und die Gänge sich allmählich verbreiterten und be-wohnt aussahen. So gefangen war er in seinen Gedanken an den Ring und deren Diebe, Siggi und Gunhild.
»Wir sind da«, sagte Mîm plötzlich.
Hagen tauchte aus seinen Tagträumen auf und sah, dass er vor einem gewaltigen Tor stand. Schwarz glänzend waren die Pfosten, aus einem nachtdunklen, glasharten Stein, in den Masken und Gestalten von Ungeheuern eingeschnitten waren, wie um jeden Feind das Fürchten zu lehren. Schwarz waren auch die steinernen Torflügel, doch von einem bläulichen Schimmer, wie geöltes Eisen.
Langsam, wie auf ein geheimes Kommando, schoben sich die schweren Türen nach außen. Ein Lichtstrahl fiel durch den Eingang, verbreiterte sich, und Hagen konnte die Umrisse einer Anzahl dunkler Gestalten erkennen, die im Inneren der Halle weilten.
In der Halle, wo sein Verbündeter, der Herr der Schwarzalben, ihn erwartete …
»… und dann kamt ihr und habt uns gerettet«, schloss Gunhild den Bericht. Die Geschwister hatten abwechselnd erzählt, wie sie in die Höhle gekommen waren.
Laurion hatte einige Male kurz gestutzt, hatte sie aber nicht unterbrochen, und doch war Siggi aufgefallen, dass der junge Lichtalbe sehr erregt war, obwohl er sich Mühe gab, es sich nicht anmer-ken zu lassen. Doch Siggi hatte Menschen schon immer sehr genau beobachtet. Er hatte gelernt, auf Veränderungen in ihrem Verhalten zu achten, um möglichen Feinden, die ihn nur ärgern oder noch Schlimmeres von ihm wollten, aus dem Weg gehen zu können. So war ihm auch die Unruhe Laurions nicht entgangen, wenngleich er sie nicht zu deuten wusste. Der Lios-alf hatte auch einige nicht zu deutende Seitenblicke auf den Grauen geworfen.
Aber was sollte Siggi tun; er konnte sich die Antworten auf die Fragen nicht aus den Fingern saugen. Die ganze Geschichte wurde immer rätselhafter. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als abzuwar-ten, was passierte.
Von Zeit zu Zeit hatte Siggi immer wieder ein Auge auf den Alten geworfen, der schweigend neben Laurion ging. Er hatte nichts zu dem Bericht gesagt, obwohl er eine ganze Menge hätte erzählen können. Die Raben hockten wie ausgestopft auf seinen Schultern.
Siggi hatte nichts von seiner Vermutung verlauten lassen, dass der Graue nicht immer gewusst zu haben schien, welche Richtung er nehmen sollte; denn es war nur eine Beobachtung, für die er keinen Beweis hatte, und bei allem Vertrauen, das Siggi zu Laurion gefasst hatte, wollte er doch erst genau wissen, was zwischen den Lios-alfar und dem Alten für eine Beziehung bestand.
Hinter ihnen klangen eilige Schritte auf. Laurion drehte sich um.
Er schien sich sicher zu sein, dass da kein Feind oder eine Bedrohung war, die sich ihnen näherte.
»Laurion«, sagte ein heraneilender Lios-alf. »Wir konnten ihn nicht mehr finden. Die dunkle Brut hat das dritte der Midgard-Kinder in ihre Gewalt gebracht. Wir haben unsere Späher ausgesandt, um herauszufinden, wohin sie ihn schleppen.«
Laurion nickte nur. »Geht wieder auf Wache«, sagte er knapp.
»Ich sende euch weitere Späher und einige Boten. Ich denke, auch die Königin will über alles unterrichtet sein.«
Der Lichtalb nickte nur und wandte sich ab, um sich wieder seiner Aufgabe zu widmen.
Siggi war, als bekäme er einen Schlag, als er von Hagens Schicksal hörte. Die Bilder der drohenden, dunklen Schatten aus dem Wald und dem Höhlendom drängten sich wieder in sein Bewusstsein.
Dann tauchte ein Bild von Hagen auf, wie er in der Gewalt dieser unheimlichen Gestalten war. Er schüttelte sich, um die Gedanken zu vertreiben.
Siggi wechselte einen schnel en Blick mit Gunhild. Auch in ihren Augen stand die Angst um den neugewonnenen Freund, der wo-möglich Höllenqualen litt.
»Was werden sie mit ihm anstel en?«, fragte
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