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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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Hammer ebenso fest mit der rechten umklammert, tappte Siggi durch die Unterwelt.
    Der Schimmer, der sie bisher in allen Höhlen begleitet hatte, war hier zu einem düsteren Glimmen abgesunken, dass man kaum die Hand vor den Augen sehen konnte. Die vier Gestalten, die im Gänsemarsch durch den Gang schlichen, waren nicht mehr als Schatten, die Kinder zwei dunkle Umrisse, die Lios-alfar zwei hellere Schemen.

    »Wo sind wir hier?«, fragte Gunhild flüsternd, an Yngwe gewandt, der hinter ihr ging.
    Yngwe sah sie an, und in seinen hellen Augen war wieder jener seltsame, fast verehrungsvolle Ausdruck, den Gunhild bemerkte, seit sie das Halsband der Königin trug. Sie fragte sich, ob hinter dem Mienenspiel der Lios-alfar die Verehrung für ihre Königin steckte, die ihr dieses überaus schöne Geschenk gemacht hatte, oder mehr.
    »Wir sind in den umkämpften Bereichen. Weder der dunklen Brut unter ihrem Herrn Alberich noch unserer Königin ist es je gelungen, hier dauerhaft zu herrschen. In den vielen, vielen Jahren seit wir hier leben, haben hier unzählige Lios-alfar ihren letzten Atemzug getan, aber auch viele von Alberichs finsteren Schergen sind hier vernichtet worden.« Die Stimme des jungen Kriegers klang gepresst, seine Gesichtszüge verhärteten sich, und unwillkürlich griff seine Hand nach dem Schwert.
    »Warum habt ihr diesen Krieg begonnen?«, wollte Gunhild wissen, während sie über einen Haufen Steine kraxelte.
    »Weil die Swart-alfar unsere Feinde sind.«
    »Aber diese Feindschaft muss doch einen Grund haben?«, ließ Gunhild sich nicht abspeisen.
    »Wir kamen hierhin«, zischte Yngwe, »nachdem unsere Hoffnungen zerstört waren – zerstört durch Hagen, Alberichs Sohn, der Siegfried, den letzten Helden aus Odins Geschlecht, heimtückisch gemeuchelt hatte. Hätten wir seine Kraft besessen, hätten wir vielleicht noch alles zum Besseren wenden können. So aber verging Walhall, und wir, die wir auf Asgards lichten Höhen thronten, mussten als Flüchtlinge über die Welt ziehen. Ja«, fuhr er fort, »wir waren Asen einst. Zu Alben sind wir geworden, Geschöpfen des Zwielichts.«
    »Aber wo sind die großen Götter geblieben?«, fragte Gunhild.
    »Thor und Loki und wie sie alle hießen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Yngwe. »Nur Freya war bei uns, und von ihren goldenen Äpfeln ernährten wir uns, doch auch sie be-saßen nicht mehr die Kraft von einst. Und als wir, von den Menschen vertrieben, eine letzte Zuflucht suchten, da kam der Graue –
    machtlos, kraftlos, alt geworden –, und er zeigte uns den Weg in die unterirdischen Reiche der Anderswelt.
    Doch da war Alberich. Und obwohl Raum genug gewesen wäre für uns alle, verwehrte er uns den Zutritt. Jeden Fußbreit Bodens haben wir uns seitdem erkämpfen müssen, gegen dieses … dieses Gezücht.
    Sie kennen keine Liebe, verstehst du, weder zu Menschen noch zu Dingen. Alles ist für sie nur ein Mittel zum Zweck. Sieh sie doch nur an, schwarz, hässlich wie die Nacht, ohne Sinn für Schönheit. Wir dagegen, wir sind zu Höherem geboren, eine überlegene Rasse, golden, mit Augen von der Farbe des Himmels. Es ist unser natürliches Recht. Und darum gibt es ewige Feindschaft mit den Geschöpfen der Nacht.«
    Gunhild schüttelte den Kopf. »So was hat es bei den Menschen auch schon gegeben. Man nannte sie Nazis. Sie glaubten auch, dass die Blonden und Blauäugigen allen überlegen wären.«
    »Und wie ist es geendet?«
    »Mit Krieg und Zerstörung.«
    »Dann will ich auch Krieg und Zerstörung haben, wenn es nicht anders geht. Lieber Ragnarök, als im Dunkeln zu verdämmern.
    Dann will ich mit unserer Königin kämpfend untergehen!«
    Gunhild sagte nichts mehr, aber sie war erschüttert ob des tiefen Hasses, der hier herrschte. Mit den Fingern berührte sie das goldene Halsband, das sie trug. Das Halsband der Freya! Nun verstand sie ein wenig mehr, wie viel es den Lios-alfar bedeutete. Doch warum die Göttin es ausgerechnet ihr umgelegt hatte, blieb ihr ein Rätsel.
    Sie waren unterdessen immer weiter gegangen. Von ihren Spähern war während Yngwes Erzählung nichts zu sehen gewesen.

    Laurion hielt an und wandte sich um. »Wir erreichen nun bald das Gebiet der finsteren Brut«, erklärte er leise. »Seht euch um, das sind die Grenzmarken von Alberichs Reich.«
    Siggi konnte erste Spuren der Schwarzalben erkennen. Von den Gängen zweigten hier und da Kammern ab, die aus dem harten Felsen getrieben worden waren. Es wurde deutlich, dass der Fels immer mehr

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