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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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durch Werkzeuge gezeichnet war, wo die Swart-alfar versucht hatten, das Gestein nach ihren Willen zu formen, viel stärker, als dies die Lios-alfar gemacht hätten, die zurückhaltender waren, wenn es darum ging, die natürliche Gestalt ihrer Höhlen zu verändern. Sie erfreuten sich eher an gewachsenen Felsformationen, und griffen mit ihren Werkzeugen nur da ein, wo es die Notwendigkeit erforderte oder wo es galt, die natürlichen Formen des Felsens zu unterstreichen. Aber hier gingen die Wege geradewegs durch das gewachsene Gestein.
    »Ab jetzt«, flüsterte Laurion zu den Kindern, »heißt es vorsichtig sein; denn die Brut hat ihr Gebiet mit Fallen gesichert. Haltet euch dicht hinter mir, und macht, was ich mache. Yngwe wird ein Stück hinter uns bleiben, um uns den Rücken frei zu halten.«
    Siggi nickte. Ihn erfüllte ein Selbstvertrauen, das er bisher nicht gekannt hatte. Es war, als regte sich in seinem Innern eine Kraft, von der er selbst nicht gewusst hatte, dass sie in ihm schlummerte.
    War es nur der Ring oder der Hammer, der ihn so veränderte, fragte er sich. Aber eines wusste er schon jetzt: Ganz gleich, was geschah, er würde nicht mehr derselbe sein, wenn sie nach Hause zu-rückkehrten. Wenn …
    »Was für Fallen?«, fragte Gunhild, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
    »Nun«, sagte Laurion, »Fallen, wie sie sich nur das hinterlistige Hirn der Swart-alfar auszudenken vermag: Falltüren, aus der Wand schnellende Speere, todbringende Steinlawinen, die von der Decke donnern, und vieles mehr. Man kann sie erkennen, aber das Auge muss sehr geübt sein, um sie zu sehen. Also, folgt mir einfach«, sagte Laurion.
    Langsam gingen sie weiter, zu dritt, während ihr Begleiter hinter ihnen mit der Dunkelheit verschmolz. Weder Gunhild noch Siggi wagten es, Laurion zu stören, dessen Haltung völlige Konzentration ausdrückte. Der Lichtalbe zögerte selten, doch manchmal gingen sie regelrecht im Zickzack.
    Siggi fragte sich, was Laurion in diesen Augenblicken wohl sehen mochte, denn ihm fiel eigentlich nichts auf, nicht mal der Fels schien heller oder dunkler als die Umgebung zu sein. Nichts deutete darauf hin, das dort eine Falle war.
    »Ganz vorsichtig«, flüsterte Laurion. »Seht hier«, und er wies auf den Felsboden des Ganges, den sie gerade durchquerten. »Eine Falltür!«
    »Wo?«, fragte Siggi.
    »Schau genau hin. Du siehst den Riss, der diesen kleinen Schatten wirft?«
    »Nein«, war der Junge ehrlich. »Ich sehe nichts.«
    »Komm mal einen Schritt vor«, meinte Laurion, und Siggi ging näher heran, setzte einen Fuß vorsichtig vor den anderen. Dabei verursachte er kaum ein Geräusch; die weichen Stiefel dämpften jeden Tritt. Es waren die Stiefel von Spähern, nicht die genagelten der Krieger, deren Schritte weit hallten.
    Er beugte sich herunter, und als er mit dem Gesicht nur noch ei-ne Handspanne vom Boden entfernt war, konnte er einen feinen Haarriss im grauen Felsen erkennen. Ansonsten war nichts von einer Falltür zu sehen, denn die Platte, welche die Grube verdeckte, passte genau zur Umgebung.
    »Was ist unter der Falltür?«, wollte Gunhild wissen, die sich ebenfalls gebückt hatte.
    »Meistens fällt man etwa vier oder fünf Schritt in die Tiefe, und unten warten dann vergiftete Speere, Felsnadeln oder noch Schlimmeres auf das Opfer«, erklärte der Alb mit finsterer Miene.
    Weder Siggi noch Gunhild wollten wissen, was es denn noch Schlimmeres außer Felsnadeln und vergifteten Speerspitzen gab. Sie sahen sich an, und langsam schlich sich wieder die Furcht in ihre Glieder.
    »Kommt!«, sagte Laurion, und seine Stimme klang, als befehle er seinen Kriegern. »Wir müssen weiter.«
    Siggi und Gunhild folgten ihm eng beieinander fast auf dem Fu-
    ße, und fühlten sich seltsam hilflos, wenn Laurion wieder einmal einer Falle auswich, die sie nicht sehen, ja nicht einmal ahnen konnten.
    »Ist es noch weit, bis wir die Fallen hinter uns haben?«, fragte Siggi, als Laurion für einen kurzen Moment innehielt.
    »Euch wird es wahrscheinlich weiter vorkommen, als es ist, aber ein gutes Stück liegt noch vor uns«, antwortete Laurion.
    Und weiter ging es in die Ungewissheit hinein. Schließlich erreichten sie einen abschüssigen Gang, und Siggi bemerkte, dass links und rechts keine Abzweigungen mehr abgingen. Aber das war nichts Ungewöhnliches; es war schon öfter vorgekommen, dass für eine bestimmte Wegstrecke das Labyrinth von Stollen einfach aufhörte. Der Gang hatte einen Durchmesser von fast

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