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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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vier Metern. Er war breiter als viele, durch die sie bislang gekommen waren. Dennoch beschlich ihn ein mulmiges Gefühl.
    Ob Hagen … Der Gedanke war so plötzlich da, dass Siggi sich wunderte, nicht früher an den Freund gedacht zu haben.
    »Kann Hagen auf solche Fallen getroffen sein?«, fragte er Laurion.
    »Nein, da, wo wir euch gefunden haben, gibt es dergleichen nicht. Da muss die dunkle Brut immer damit rechnen, von uns ge-stört zu werden. Ich gehe davon aus, dass euer Freund so sicher ist, wie man in den Händen der Finsteren nur sein kann.« Laurion war stehen geblieben und hatte sich ihm zugewandt.
    Siggi lehnte sich an die Wand und erwiderte den Blick. Er wollte noch etwas sagen, als ein leises Klicken zu hören war. Laurions Blick fiel auf die Wand, und für einen Moment glaubte Siggi Entsetzen in den Augen des Lichtalben aufflackern zu sehen.
    »Ich glaube, wir sollten machen, dass wir hier wegkommen«, meinte der junge Krieger.
    Gut zwanzig Meter hinter ihnen klickte es lauter und in immer kürzeren Abständen, als würde eine Maschine in Gang gesetzt.
    »Was ist los?«, fragte Siggi, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte.
    Laurion rannte mit leichten Schritten voran. »Lauft einfach!«, war seine einzige Antwort.
    Plötzlich verstummte das Klicken, und es war totenstill; man hät-te die berühmte Stecknadel fallen hören können. Siggi glaubte schon, es wäre vorbei, da zerriss ein ohrenbetäubender Krach die Stille, kurz darauf hörte man ein Rumpeln und das Knirschen von Fels auf Fels.
    »Was ist das?«, rief Gunhild schrill.
    »Rennt!« Yngwe kam aus der Dunkelheit gestürzt. »Rennt um euer Leben!«
    Hagen schreckte auf. Ein Klopfen an der Tür hatte ihn aus seinem Halbschlaf gerissen, der nur Augenblicke gedauert haben konnte.
    Ein Blick in die Augen Alberichs sagte ihm, das sein Dösen nicht unbemerkt geblieben war, aber er konnte keinen Vorwurf in den Augen des Königs sehen.
    »Bist du wieder wach?«, fragte er nur.
    »Ich war nur einen Moment eingenickt«, sagte Hagen. Muss der Met gewesen sein, dachte er.
    »Herein!«, rief Alberich. Der Herr der Swart-alfar war offensichtlich nicht begeistert von der Störung.
    Die Tür ging auf, und ein Diener trat ein. Er verbeugte sich.

    »Der Graue wünscht euch zu sprechen, Meister«, begann der Swart-alf. »Es gibt wichtige Gründe, sagt er.«
    »Es gibt immer wichtige Gründe, wenn das alte Einauge mich sprechen will. Und nicht immer sind seine Anliegen meine Anliegen; aber bitte, lasst ihn ein«, sagte Alberich in einem seltsam her-ablassenden Ton.
    Hagens Haltung hatte sich gespannt, als Alberich etwas von ›Einauge‹ sagte. Sollte das etwa, schoss es ihm durch den Kopf, der sein, der uns in die Höhlen geführt hat?
    Sein Verdacht bestätigte sich, kaum dass der Herr der Swart-alfar zu Ende geredet hatte. Der alte Mann mit dem einen Auge, der ihr Führer in die Anderswelt gewesen war, trat durch die Tür in das Zimmer.
    Hagen besah ihn sich genauer. Konnte er nach all seinen Erlebnissen noch daran zweifeln, wen er hier vor sich hatte?
    Der Graue wirkte erschöpft und abgekämpft. Sein Gesicht, das Hagen als das eines eindrucksvollen, wenngleich etwas müden alten Herrn in Erinnerung hatte, glich nun einer wächsernen Maske. Nur das geschlossene Auge zuckte. Der graue Mantel wehte um seine Schultern, aber Hagen sah jetzt, dass auch er fadenscheinig und an den Nähten ausgefranst war.
    In diesem Moment flogen die Raben durch die offene Tür und setzten sich auf die Lehnen eines der nicht besetzten Stühle. Hagen konnte nun auch die Tiere zum ersten Mal bei Licht betrachten.
    Sie waren gewiss einst prächtige Exemplare ihrer Art gewesen. Doch ihr schwarzes Gefieder wirkte stumpf und zerrupft und hatte nichts von jenem bläulichen Unterton, der Federn so herrlich schimmern ließ.
    »Was ist, Einauge?«, fragte Alberich. »Welcher wichtige Anlass führt dich hierher. Sonst meidest du uns doch eher?«
    »Das hat er über uns gesagt, Vater. Man sollte Ymirs Gezücht meiden …«, sagte Hagen.

    Aber er wurde von Alberich sanft unterbrochen. »Das sagt er jedem, doch es kommen immer wieder Zeiten, da lenkt Herr Odin seine Schritte in mein finsteres Reich. Und wir haben uns schon immer kleine Freundlichkeiten an den Kopf geworfen. Lass also gut sein, mein Sohn«, beruhigte ihn Alberich, und Hagen spürte förmlich den Hohn, der gegen den Alten gerichtet war. Er wusste, mit solcher Geringschätzung sprach nur ein Mächtiger, und es machte ihn stolz,

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