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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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Midgard-Knaben unter ihnen wandelten. So war es auch bei der bleichen Brut; auch sie hatten ihre Helden gefunden. Waren das nicht Vorzeichen genug?
    Doch der König hatte gesprochen. Er wollte die Schlacht, und das Volk würde ihm folgen, ob zum Guten oder Bösen …
    Weder Alberich noch Hagen sahen die Zweifel in den Augen der Frauen. Ihr Ziel war die große Königshalle. Im Gleichschritt gingen der König der Swart-alfar und sein Prinz. Mîm folgte ihnen dichtauf.
    Der junge Krieger hatte die Blicke der Frauen gesehen, aber er verstand nicht, was in den Augen zu lesen war. In ihm brannte die Lust zu kämpfen, seinem und dem Namen seines Königs Ehre zu machen. Es war die Vorfreude, von der bleichen Brut den Blutzoll zu fordern; denn sie hatten in den unzähligen Scharmützeln in den Tiefen der Anderswelt das Leben vieler seiner Kameraden genommen. Das machte den jungen Krieger blind für die Gefühle der Frauen, und so sah Mîm auch seine eigenen Ängste nicht, die er tief in seinem Innern hegte.
    Hagen fühlte sich so frei wie noch nie zuvor in seinem Leben.
    Den Weg zurück zur Halle nahm er bewusst wahr, versuchte jede Sekunde davon in sich aufzunehmen, sich keinen Moment entgehen zu lassen, um die Huldigung des Volkes noch mehr genießen zu können.
    »Vater?« Hagen wandte sich an Alberich, der hoch aufgerichtet neben dem Jungen ging. »Vater, werde ich im Kampf gegen Siggi, den Ringdieb, bestehen?«
    »Du hast ihn schon einmal besiegt, mein Sohn«, entgegnete Alberich, und sein Blick war tief und unergründlich.
    »Aber das war nicht ich … Das war – ein anderer«, wandte Hagen ein.
    »Alles wiederholt sich im ewigen Kreislauf. Die Nornen weben unsere Schicksalsfäden, deinen ebenso wie meinen. Es kann kein Zufall sein, dass Siegfried und du jetzt und hier erschienen seid.«
    »Aber …«, doch Hagen konnte seinen Gedanken nicht mehr formulieren, weil ein Swart-alf in blinkender schwarzer Rüstung herantrat.
    »Meister«, wandte sich dieser mit dringlichem Unterton in der Stimme an Alberich, den König der Schwarzalben. »Eure Heerführer bedürfen dringend Eures Rates.«
    Alberich nickte nur.
    »Warte hier, Hagen«, sagte er nur. »Und lass dir in der Zeit von Mîm erzählen, welche Heldentat von dir oder«, fügte er lächelnd hinzu, »von meinem anderen Sohn Hagen vollbracht wurde.«
    Hagen wäre lieber mitgegangen und fragte sich, ob es irgendeinen Grund geben mochte, weshalb sein neuer Vater ihn nicht dabeiha-ben wollten. Aber Alberich musste dies sogleich erkannt haben, und noch bevor der Junge irgendwelche Einwände formulieren konnte, fühlte er die Hand des Herrn der Swart-alfar auf der Schulter. Tief sah Alberich ihm in die Augen.
    »Für dich ist es wichtiger, diese Geschichte zu hören, als irgendwelche Fragen des Aufmarsches unserer Krieger und Kämpfer zu beurteilen. So wie ich es sehe«, sprach Alberich, »ist unser beider Platz nicht im Schlachtgetümmel; wir haben einen anderen Kampf zu kämpfen. Und du brauchst Wissen, um diesen Kampf zu bestehen. Mîm wird dir alles erklären.«
    Mîm nickte knapp. Zusammen mit Hagen sah er Alberich nach, der dem Krieger folgte und nach wenigen Schritten irgendwo im Labyrinth der Gänge verschwand.
    Mîm wandte sich ernst an Hagen.
    »Dies ist die tragische Geschichte unseres Volkes«, begann er,
    »welches das erste war, das auf Erden geboren wurde. Aus Orgelmir gingen wir hervor, den Odin und seine Brüder ohne Grund töteten und zerhackten; Fleisch vom Fleisch der Erde sind wir, und darum ist uns Macht über alle irdischen Dinge gegeben, über Stein und Eisen, Feuer und Wasser, Silber – und Gold.
    Doch die Asen, die in ihrer Arroganz von den luftigen Höhen Asgards auf uns niederblickten, neideten uns das Gold, das wir aus dem Leib der Erde bargen und aus dem wir Dinge schufen, die sie niemals hätten vollbringen können: Brisingamen, das Band der neun Welten, und den Einen Ring, der Macht über alle Dinge be-sitzt.
    Vor allem Odin, der danach strebte, alles zu beherrschen, sah in uns eine Gefahr für seine Pläne. Und so nahm er uns das Gold, durch Betrug und Gewalt, um einen Eid nicht einlösen zu müssen, den er geschworen hatte. Doch den Ring, den er begehrte, musste er gleichfalls mit zu dem Schatz werfen, und dass dieser Ring der Macht nicht an seiner Hand war, fraß an ihm wie eine schwärende Wunde.
    Doch niemand, der unter dem Gesetz der Natur geboren war, konnte den Regeln zuwiderhandeln, die Odin selber aufgestellt hatte – für alle,

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