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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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die Feuer Muspelheims sind heiß genug, dass sich die beiden Hälften wieder zu einem Ganzen vereinen. Der Speer kann neu geschmiedet werden!«
    Odin hatte hitzig gesprochen, seine Stimme hatte einen Hall gewonnen, dessen Echo nur langsam verebbte. Sein heiles Auge flammte förmlich; die Erschöpfung, die Hagen erst im Blick und an der Haltung Odins bemerkt hatte, war wie weggeblasen. Mit der Rechten streckte er die Bruchstücke des Speers in die Höhe.
    »Muspelheims Feuer«, sprach Alberich ungerührt, als diskutiere er ein rein technisches Problem, »würden es erhitzen, vielleicht sogar heiß genug machen, aber selbst dann könnte ich die Stücke nicht wieder verbinden. Die Macht der Weltenesche, aus deren Urstoff er stammt, geht über meine Kräfte, Einauge. Ich bin stark, aber nicht stark genug. Das solltest du wissen.«
    »Ein neues Zeitalter könnte beginnen, wenn ich meine Macht wiedererlange!« Die Worte Odins klangen wie ein Schlachtruf.
    »Eine neue Zeit für Alben und Zwerge, in der wir uns die Welt er-obern.«
    »Die Zeit der zaubermächtigen Waffen ist vorbei«, hielt Alberich ihm entgegen. »Keiner der Götter ist noch mächtig genug, diesen Speer neu zu schmieden. Hast du vergessen, Einauge, dass mehr da-zu gehört, als die Enden in die Feuer Muspelheims zu tunken und zu hoffen, alles werde gut. Es gehört etwas dazu, das nur Götter und große Helden haben, jenes Quäntchen Kraft, das sie in ihren Herzen tragen und auf so unterschiedliche Weise zu nutzen verstehen. Die einen, um die Geschicke ganzer Welten zu lenken, die anderen, um große Taten zu vollbringen. Aber eines, Einauge, eines haben sie gemeinsam, diesen Kern der reinen Kraft, den sie in sich tragen. Deiner ist zerschlagen, die Kräfte deines Volkes geschwächt.«
    Alberich sah Odin ernst an, kein Hauch von Spott lag auf seinen Zügen. »Seien wir ehrlich, es gibt in der ganzen Anderswelt nicht genügend Magie, um den Speer neu zu schmieden. Das Holz Yggdrasils wird auf ewig geteilt bleiben; die Macht des Speeres ist und bleibt gebrochen. Begreife es endlich, und hänge nicht wirren Träumen längst vergangener Tage nach. Du warst einst weise, Einauge; höre auf das, was die Weisheit gebietet!«
    Odin starrte Alberich für den Bruchteil eines Augenblicks verwirrt an, doch dann fing er sich wieder. »Es gibt einen Weg …«, begann er, aber er wurde von Alberich unterbrochen, und der Herr der Swart-alfar wirkte ungehalten.
    »Die Götter sind schwach, und die großen Helden sind tot. Es gibt weder hier noch in Midgard jemanden, der diese Tat vollbringen könnte. Es ist vorbei…«
    »Nein!«, donnerte Odin, und Hagen bekam den Hauch einer Ahnung der verflossenen Macht des Alten. »Es gibt noch einen! Ich konnte es spüren, dass der Keim der Macht in ihm schlummert
    – doch er ahnt davon nichts.«
    »Wer?«, fragte Alberich entgeistert. »Wer trägt nach all diesen Weltaltern die reine Kraft in sich?«
    »Wenn ich dir diesen Helden bringe, diesen einen, der das Werk vollbringen kann, wirst du ihn dann anleiten, den Speer neu zu schmieden?«
    »Wenn ich dafür das Halsband der Göttin erhalte, ja, dann tue ich es«, sagte Alberich, und in den Ohren Hagens klang es wie ein Eid.
    »Deinen Lohn wirst du erhalten«, entgegnete Odin, »dessen sei gewiss«, und Hagen konnte der Stimme nicht entnehmen, ob es ein Versprechen oder eine Drohung war. Doch ihm fiel auf, dass die ledrige Haut über der leeren Augenhöhle zuckte.
    »Und wer ist der Held, den du mir bringst?«, fragte der König der Swart-alfar, der seine Neugier doch nicht ganz unterdrücken konnte.
    »Ein Knabe aus Midgard«, entgegnete Odin. »Ein Knabe mit einem großen Namen, wie dieser an deiner Seite. Ich konnte sie fühlen, die Kraft in seinem Herzen, weil auch ich sie einst in mir hatte; es war mir, als spürte ich die Macht des Drachentöters wieder. Er ahnt nichts davon, aber er ist…«
    »Siggi!«, platzte es aus Hagen heraus. »Es ist Siggi!«
    »Dein Blick geht tief«, wandte sich Odin ihm zu. »Du erkennst viele Dinge, Hagen. Auch in dir scheint altes Blut zu fließen. Ich hatte Recht, als ich euch sagte, dass nichts Zufall sei; erinnere dich.
    Ihr seid zur Sommersonnenwende um Mimirs Brunnen getanzt, habt Einlass in die Anderswelt erhalten und seid dabei, eine alte Geschichte neu zu schreiben.«
    »Es ist Siggi, nicht wahr, der kleine blonde Verräter, der mich …«, Hagen biss sich auf die Zunge, um sich nicht zu verraten; denn der Ring war ein Geheimnis, von dem der

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