Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
der in der Luft hing, niemanden ausmachen.
Den Eimer in der einen Hand, die Krüge an ihren Bändern in der anderen machte Elisabeth sich auf den Rückweg. Wieder hatte sie das Gefühl verfolgt zu werden. Ein ums andere Mal blieb sie stehen, setzte die Wasserbehälter ab und sah sich verstohlen um. Da war nichts. Irgendwo bellte ein Hund und vom Hafen her drangen gedämpfte Geräusche hoch, das war alles. Elisabeth zitterte, aber sie nahm die Behälter wieder auf und ging weiter. Noch ein paar Schritte und sie stand vor der Tür ihres Hauses. Fast geschafft! Sie fingerte nervös den Schlüssel unter der Schürze hervor und öffnete die Tür. Die Krüge trug sie gleich zum Feuer, den Eimer ließ sie in der Diele stehen, damit das Wasser kühl blieb. Schnell huschte sie zur Eingangstür und drückte sie zu. Mit einem Knirschen fiel der Riegel ins Schloss. Elisabeth atmete erleichtert aus. Geschafft. Noch immer schlug ihr das Herz bis zum Halse.
Sie konnte sich nicht erinnern, jemals vorher solche Angst gehabt zu haben. Dann blieb ihr Herz stehen.
Aus dem Schatten löste sich die Gestalt eines schlanken, blassen Mannes mit traurigen Augen. Elisabeth sah ihn und verliebte sich sofort in diese traurigen Augen! Der Mann streckte seine Hand aus und berührte Elisabeths Wange. Die Hand war warm und fühlte sich vertraut an.
„Es tut mir leid!“, sagte der Mann. „Es tut mir unendlich leid, aber ich muss es tun!“
Es war das Letzte, das Elisabeth in ihrem Leben hörte, und sie war glücklich. Eine Welle von Freude strömte durch ihren Körper, trug sie fort und dann schlug der blasse Mann seine Eckzähne in Elisabeths Hals und riss ihr die Schlagader auf.
Professor Stanken zog das Laken über den Körper des Kindes. Das junge Mädchen war gebissen und ausgesaugt worden. Es gab allerdings einen Unterschied zu den anderen beiden Opfern: Das Mädchen hatte nur minimale Zersetzungen in sich. Vielleicht, weil sie kleiner war und der Blutsauger sie schneller hatte leeren können? Das war nur eine Vermutung. Stanken fehlten die Mittel, dies genau zu verifizieren.
Er seufzte und strich sich die weißen Haare aus der Stirn.
„Sie kann jetzt abgeholt werden!“ Stanken winkte Wimmer zu sich. „Seid vorsichtig, Meister Wimmer. Irgendwie sieht sie noch so … lebendig aus. Bringt sie zum Verbrennen zu den Pestleichen. Sicher ist sicher!“
Wimmer sah auf den aufgeschnittenen Bauch des Mädchens und konnte nichts Lebendiges an dem Mädchen finden. Die Kleine war tot und das war’s. Für ihn machte es keinen Unterschied, was den Tod herbeigeführt hatte. Tot ist tot.
Er zog den leinenen Leichensack über die Tote und lud sie sich auf die Schulter. Der Körper war federleicht.
Professor Stanken hustete. Er fühlte sich unbehaglich heute. Aber was sollte er machen? Es gab so viel zu tun, so viele Gefahren, vor denen er die Leute da draußen schützen musste!
Die Kleine war das dritte Opfer. Wie viele würden noch folgen? Was den alten Mediziner fast noch mehr beunruhigte war der Umstand, dass das Mädchen am hellen Tag um die Mittagszeit ermordet worden war und zwar in ihrem eigenen Zuhause. Ihre Schwester hatte sie gefunden. Armes Ding! Hatte schon die Mutter und im letzten Jahr den Vater verloren und nun auch noch ihre kleine Schwester. Nun stand sie ganz allein da. Immerhin war sie relativ wohlhabend und schon volljährig. Sie würde keine Hilfe von ihm brauchen, eher von den Schwestern in St. Marien.
Stanken setzte sich an seinen Schreibtisch und zog die Berichte zu sich heran, die heute Morgen von Junges und Hinrichs’ Bediensteten gebracht worden waren und setzte mit eigener Handschrift die entsprechenden Bemerkungen hinzu, was den dritten Mord anging.
Die Herren würden ihn fragen, was man denn dagegen tun könne. Sie würden ihn um Rat angehen, so viel war sicher.
Was sollte er antworten? Nach außen hin eine Suche nach dem unbekannten Tier? Ausgangssperre und Gendarmerieeskorten? Und was tun gegen die wahre Plage? Gegen die Vampire? Oder den Vampir, denn auch der Biss an dem Mädchen passte zu dem Gipsabdruck, den er von dem Biss des Apothekers abgenommen hatte. Es war also derselbe gewesen. Gab es nur einen? Wie konnten sie ihn erkennen?
Stanken streute Sand auf die Papiere und schüttelte den überschüssigen ab, rollte die Dokumente wieder zusammen und setzte letztlich sein Siegel darunter. Wimmer sollte den offiziellen Bericht dann zum Rathaus bringen. Die Berichte mit dem wahren Sachverhalt würde
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