Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
was darin steht. Nun, Ihr wisst, dass ich einige Jahre in Spanien zugebracht habe, teils zu Studienzwecken, teils aber auch um das Auftreten von Vampiren zu ergründen, von dem mir in Ingolstadt berichtet worden war. Ich will die Sache kurz machen, ich bin dieser verfluchten Vampire nicht habhaft geworden, aber ich sah ihre Opfer! Es war grauenvoll! Die Leiber der Gebissenen bewegten sich noch, obwohl kein Blut mehr in ihnen war, und begannen dabei schon sich aufzulösen! Ein halbes Dorf fiel dem Unhold zum Opfer … und ich kam zu spät! Zwar hetzten wir den Vampir und ich glaube sogar, ihn kurz im Licht des aufgehenden Mondes gesehen zu haben, aber in dem Moment, in dem ich mit meinen Getreuen in sein Versteck stürmte, entkam er durch einen geheimen Gang und ich verlor seine Spur. In Kopenhagen konnte ich sie wieder aufnehmen. Es ist erstaunlich, wie schnell sich Gerüchte verbreiten! Aber auch dort kam ich zu spät, und auf der Rückreise, lieber Freund, lieft Ihr mir über den Weg!“
Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Wir waren uns nicht über den Weg gelaufen, vielmehr hatte ich alle Anstrengungen unternommen, ein Treffen herbeizuführen.
„Nun, zurück zu dem Büchlein“, fuhr der Holländer fort. „Der Vampir scheint zumindest ein Wesen mit Bildung zu sein, so seltsam sich das auch anhören mag, und – ja, es ist wahr! – er scheint sich in Alchemie auszukennen. Dieses Versteck in den Bergen in Spanien, nahe der Grenze zu Frankreich, war in den Gewölben eines Klosters. Ohne dass die Brüder oben etwas von dem dunklen Geschehen unter sich ahnten, hatte der Blutsauger sich dort ein sicheres Domizil gebaut, mehr eine Wohnhalle, denn eine Höhle. Überall kostbare Stoffe, wundervolle Gemälde! Saht Ihr das Bild im Aufgang zum Saal? Den Sonnenuntergang? Es stammt aus der Vampirgruft! Ich habe alles mitgenommen oder holen lassen, was dort im Gewölbe unter dem Kloster war: Möbel, Regale voller Bücher! Ein Großteil meiner alchemistischen Geräte stammt von dort! Und es war eindeutig der Vampir, der dies alles errichtet hatte! Nicht etwa, dass er sich in ein gemachtes Nest gesetzt hätte! Nein, er sammelte all das zusammen! Besonders die Bücher waren interessant! Shakespeare, Vitruv, Homer! Und eben dieses kleine Buch. Ich denke, es ist seine eigene Schrift, die wir da sehen. Es sind Notizen von der Hand des Vampirs. Und es ist verwirrend … schon allein die Sprachen! Ich fand Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Hebräisch. Einige Seiten waren in griechischer Sprache, einige Notizen in einem altertümlichen Latein und ein paar Kapitel vermochte ich bis heute nicht zu entziffern oder zu übersetzen.“
Ich hatte derweilen das Büchlein in die Hand genommen und aufgeschlagen. Es war eine schöne, verschnörkelte Handschrift und beim Lesen hatte man den Verdacht, der Schreiber habe viel Wert auf gute Lesbarkeit gelegt. Doch die Sprache selbst las sich sehr altertümlich. Die Texte wurden von Zeichnungen ergänzt, die von derselben Hand zu stammen schienen und an Kunstfertigkeit nichts zu wünschen übrig ließen. Sie waren wundervoll zu betrachten und von großer Detailgenauigkeit.
„Ich habe natürlich beim lLesen und Studieren dieses Heftes besonderes Augenmerk auf die Erwähnung von Vampiren gelegt und danach gesucht – aber nichts da! Nicht der kleinste Vermerk! In diesem Buch geht es um Drachen und das Herz des Drachen. Mir scheint, der Vampir ist von Drachen mindestens genauso besessen wie Ihr es seid, Freiherr!“ Van Strout lachte leise.
„Oder Ihr von Vampiren, Mijnheer!“, gab ich zurück.
„Touché!“, gab Van Strout lächelnd zu. „Das wird wohl so sein. Ich muss auch zugeben, dass ich meine Ansicht über den Vampir nach dieser Lektüre revidieren musste!“
Ich blickte ihn erstaunt an. War er denn kein geschworener Feind der Blutsauger mehr, als der er in halb Europa bekannt war?
„Meine Ansicht von dem Vampir, Herr von Steinborn, nicht aber mein Urteil! Ich hasse sie! Ja, vielleicht sogar mehr als vor dem Fund! Aber vorher hielt ich den Vampir für ein Biest, eine Art Tier, das ich jagte. Und deshalb mußsse ich auch immer scheitern. Dieses Monstrum ist beileibe kein tumbes Tier! Er ist sogar sehr intelligent, mehr als mancher sogenannte brave Christenmensch! Seine Forschungen, das angesammelte Wissen … es ist schwer zu glauben, aber ja, der Vampir ist vernunftbegabt, planvoll und zielgerichtet. Ich verstehe sein Ziel nicht, aber alles, was ich herausfand, ist,
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