Pesthauch - Band 1 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
Stanken selbst überbringen. Er hielt es für angeraten mit den Empfängern noch das eine oder andere Wort zu wechseln.
Stanken fühlte sich krank. Hatte er sich eine Erkältung zugezogen? Die Grippe? Seine Stirn fühlte sich heiß an und er hatte Durst. Das Wasser brachte ihm keine Linderung und so schenkte er sich von dem Port ein, den er am Abend auch seinen Gästen offeriert hatte. Stanken ließ sich seinen Mantel bringen und machte sich auf den Weg zum Rathaus. Wimmer würde schneller sein, er hatte flinke Beine und sie würden wahrscheinlich gleichzeitig ankommen, dachte Stanken.
Aber er kam nie im Rathaus an. Auf dem Weg brach Professor Doktor Stanken, oberster Pestarzt der Stadt und Geheimer Rat, zusammen und fiel in ein Koma. Er hatte sich die Pest zugezogen, und da er alt war und geschwächt, holte ihn der Schwarze Tod mit leichtem Flügelschlag. Professor Stanken starb, ohne noch einmal zu erwachen, in der folgenden Nacht. Wimmer blieb bis zu seinem letzten Atemzug bei ihm und er trug ihn persönlich zum Scheiterhaufen, wie all die anderen Unglücklichen. Das war er dem alten Mann schuldig.
So kam es, dass die Berichte mit dem wahren Sachverhalt nie zugestellt wurden. Der Bericht mit dem beschönigten Befund erreichte die Ratsherren mit einem Tag Verspätung. Die Stadt brauchte einen Pestarzt, der die Versorgung koordinierte, und da der bisherige gestorben war, berief der Rat der Stadt einen neuen. Sie entschieden sich für Doktor Hinrichs. Und der entschied sich dagegen, die wahren Sachverhalte darzulegen. Er beließ es bei Stankens offizieller Version. Das Glück war auf seiner Seite, denn es gab keine weiteren Morde. Es wurde ein bisschen herumgesucht und ein Schausteller wurde verhaftet, dem man nachsagte, er habe seinen Bären laufen lassen und dieser habe die Morde begangen, doch stellte sich schnell heraus, dass der Bär an Altersschwäche gestorben war und der Mann ihn in Bremen an einen Tierpräparator und Abdecker verkauft hatte. Man ließ ihn wieder laufen.
Die Morde blieben ungeklärt und nach einer Weile sprach niemand mehr darüber. Die vielen Hundert Toten, die die Pest der Stadt bescherte, waren Quelle für noch grauenvollere Geschichten.
Der Holländer war ein pünktlicher Mann. Zur verabredeten Zeit rollte die Kutsche auf den Hof meines Quartiers und meine Koffer wurden aufgeladen. Nur eine kleine Tasche nahm ich mit in die Kutsche. Der Holländer empfing mich mit einem heißen Tee, was mich einigermaßen in Erstaunen versetzte. Er hatte wahrhaftig einen Samowar in seiner Kutsche, der von einer kleinen Lampe beheizt wurde und auch während der Fahrt heißes Wasser bereitete. Solchen Luxus hatte ich schon lange nicht mehr gesehen. Er selbst war um einiges pragmatischer gekleidet als bei unserem ersten Treffen. Für meinen Geschmack trug er zu viele Ringe, aber seine Kleidung war eine elegante Reisebekleidung, bequem und zweckmäßig und ohne überflüssigen Schmuck.
Die Kutsche war gut gefedert und die beiden Kaltblüter, die eingespannt waren, hatten keine Mühe, das Gefährt aus dem Schlamm der Straßen herauszuziehen und uns fortzubringen aus der pestverseuchten Atmosphäre.
Es war gefährlich, wenn man aus einer Stadt mit Pest in eine andere fuhr, in der schon die Angst vorm Schwarzen Tod grassierte. Es konnte einen gut das Leben kosten. Und Gasthäuser waren da nicht anders. Jeder fürchtete sich vor der tödlichen Gefahr, die unsichtbar kam und wahllos tötete. Wir jedoch fuhren um alle Städte herum und suchten uns den Weg durch menschenarme Gegenden. Friesland war von Natur aus nicht sehr dicht besiedelt und die meisten der Orte lagen an den Küsten wie auf einer Schnur aufgefädelt. Vier Tage waren wir unterwegs und jede Meile, die wir weiter von der Pest entfernt waren, schien uns die Luft frischer zu sein und der Himmel ein klein wenig blauer.
An einem strahlenden Morgen erreichten wir nach einer letzten, durchfahrenen Nacht die Wasserburg, die Mijnheer Van Strout sein Heim nannte. Eine düstere Steinbarrikade inmitten einer Landschaft, die von Seen und Kanälen durchzogen war und eher an einen englischen Park erinnerte als an die Niederlande. Wie ein Fremdkörper lag der graue Klotz der Wasserburg in der Mitte eines nahezu runden Sees. Nur ein schmaler Damm führte zu dem einzigen Tor, das ins Innere der Burg führte.
Das Innere der Festung war das genaue Gegenteil ihres äußeren Anscheins. Ich erblickte Statuen und Steinwerk von verspielter Schönheit, Figurinen an
Weitere Kostenlose Bücher